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Die wirtschaftliche Zukunft der Steiermark

Eine gute Strategie muss sich einerseits über das eigene Stärken-Schwächen-Profil klar sein, und andererseits ein umfassendes Bild davon haben, welche Treiber im Umfeld wirksam sind und wie sie auf die eigenen Möglichkeiten wirken werden.

Während sich das Profil der Steiermark durchaus positiv und stabil entwickelt hat, sind in den letzten fünf Jahren im globalen wirtschaftlichen und politischen Umfeld Brüche passiert, auf die nunmehr dringend reagiert werden muss. Die zentralen Herausforderungen werden nachfolgend kurz dargestellt.

 

   Strategische Herausforderungen – Sicht der steirischen Industrie

Das Marktwachstum außerhalb Europas saugt immer mehr an Engagement, Produktion und Investitionen ab.

Märkte öffnen, verschieben oder schließen sich heutzutage extrem schnell, was das Risiko von Investitionen oder Markterschließungen deutlich erhöht.

Die forcierte und strategische Reindustrialisierung der USA sowie der Aufstieg Asiens mit der Leitnation China werden die nächste Zeit prägen. Europa zeigt hingegen keine nachhaltige Tendenz zu eigenständigen strategischen Impulsen und bleibt reaktiv.

Weltweit werden vier Kernthemen die weitere politische Debatte und damit auch das unternehmerische Umfeld prägen: Klimawandelthematik, Verteilungsproblematik, Urbanisierung und Überalterung wichtiger Wirtschaftszonen.

Hohe Verschuldungsgrade, lockere Finanzpolitik und der Währungswettbewerb exportorientierter Staaten werden die globale finanzielle Großwetterlage instabil belassen. Die europäische Währungsunion wird Europas Wirtschaftspolitik dominieren.

Der Weg zwischen einer politisch propagierten Re-Industrialisierung, aber einer de facto fortschreitenden De-Industrialisierung, ist in Europa noch nicht entschieden. Die Fakten sprechen aber für einen weiteren Substanzverlust, weil die politischen Eliten nicht wirklich ernsthaft um einen Produktionsstandort kämpfen und vor allem die notwendigen Strukturreformen fürchten.

Der politisch-ideologische – statt pragmatisch-funktionale – europäische Zugang zur Klimaproblematik führt derzeit dazu, industrielle Kernbranchen zu gefährden. Das beeinträchtigt auch innovative Clean- Tech-Technologien, die das grundsätzliche industrielle Entwicklungsknowhow klassischer Branchen (Beispiel Special-Steel-Industry, Baustoffindustrie, Materials) benötigen.

Sichere und leistbare Energieversorgung bei gleichzeitiger Erfüllung politischer Vorgaben (Effizienz, Erneuerbare Energie etc.) wird zu einer der größten Herausforderungen des deutsch-österreichischen Energieraums. Hier wird langfristig kein Stein auf dem anderen bleiben – mit Chancen für neue Geschäftsmodelle, aber auch Vernichtung enormer investierter Werte.

Der Großteil globaler Investments geht in die Wachstumsmärkte, große Betriebsansiedelungen von außen werden in Österreich voraussichtlich ausbleiben oder nur in Spezialfällen erfolgen. Investments und Wachstum müssen in der Steiermark in den nächsten Jahren vor allem über endogenes Engagement (Start-ups und Unternehmen im Wachstum) erfolgen. Die Finanzierung dieses Wachstums wird eine zentrale Problemstellung darstellen.

Bei österreichischen Unternehmen werden in der Relation immer mehr Mitarbeiter/-innen im Ausland tätig sein. Das ist einerseits auf die Verschiebung der Märkte und deren Druck auf „local content“ zurückzuführen, andererseits auf den Bedarf nach einem konkurrenzfähigen Produktmix aus günstigen Bestandteilen (Ausland), Schlüsseltechnologien und -komponenten (Inland).

In der Steiermark wird die Anzahl (an)gelernter industrieller Arbeitskräfte durch höhere Automatisierung (Smart Production and Services/Industrie 4.0) weiter sinken, neue Chancen ergeben sich für jene mit höherer Ausbildung. Bildungsferne und Arbeitslosigkeit werden zu „siamesischen Zwillingen“.

Die Digitalisierung (IT) immer weiterer ökonomischer Bereiche wird Geschäftsfelder dramatisch verändern, aber auch neue Möglichkeiten eröffnen. Insbesondere klassische Bereiche wie der Maschinenbau werden hier starke Impulse erfahren. Hier muss mit einer erweiterten IT-Ausbildung sowie mit neuen Formen einer Innovationsstrategie reagiert werden.

Die Emerging Markets schwenken auf forcierte Bildungs- und Technologierorientierung ein. Diese Strategie wird mit dem Einkauf von Technologien und Unternehmen in Europa ergänzt, womit immer öfter auch der Weg in neue industrielle Themenfelder nicht mehr vom Westen vorgegeben werden wird.

Die Welt wird politisch wieder konfliktbereiter. Strategische Szenarien müssen künftig mehr Unsicherheit einpreisen. Große politische Ereignisse (Russland vs. EU, Japan vs. China, Islamismus vs. Westen) können rasch die Oberhand über ökonomische Überlegungen erlangen. Krisenszenarien könnten die Position Europas sowohl stärken (vergleichsweise politisch sichere Standorte und damit Rückholung von Produktion), als auch schwächen (Durchtrennung von abhängigen Lieferketten, Energieversorgung, schwache Defence Policy).

 

   Strategische Herausforderungen – Sicht internationaler ThinkTanks

  • Knowledge-based economy

    Kooperative Wissensnetzwerke, neue Wissensgenerierung, neue Serviceleistungen durch neue Unternehmen


  • Advanced Industries (Smart Production/Industrie 4.0)

    Effizienzsteigerung in der Produktion, umfassende Vernetzung von Hersteller, Produkt und Kunde, Datengenerierung und Simulation, Internet of Everything


  • Verschiebung der globalen ökonomischen Machtzentren

    Dynamikverlagerung der Weltwirtschaft in den pazifischen und südostasiatischen Raum
  • Global Value Chains

    Zunehmende Globalisierung der Produktion mit globalen Wertschöpfungsketten und weiteren Freihandelsabkommen


  • Globalisation of Science

    Rasanter Anstieg der Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Emerging Markets, Outsourcing von F&E, Kampf um die besten Köpfe


  • „New Local“ – lokale Wertschöpfungsnetzwerke

    Steigende Marktnachfrage nach regionalen Produkten


  • Ressourcenknappheit und Nachhaltigkeit

    Anstieg von Rohstoff- und Energiekosten führt zu verstärkter Kreislaufwirtschaft und Effizienz(Energie, Material etc.)


  • Future Mobility

    Neue nachhaltige und kombinierte Mobilitätskonzepte und Systeme


  • Big Data, Cloud Computing & Massive Analytics

    Marktpotenzial von Big Data gepaart mit Cyber Security und Cyber Resilience


  • Mobile and Digital Health

    Personalisierung und Mobilisierung der medizinischen Versorgung

 

Anm.: Diese zehn Punkte spiegeln die komprimierte Sicht von 25 internationalen Think-Tanks wider, darunter Adenauer Stiftung, avenir suisse, BROOKINGS, Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, World Economic Forum, bruegel, Singapore Institute of International Affairs, Korea Institute for International Economic Policy. 

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