Die Industriellenvereinigung Steiermark (IV) hat bei Joanneum Research (JR) eine Studie in Auftrag gegeben, die den Stellenwert der energieintensiven Industrie für die Steiermark, aber auch die Betroffenheit und die Potenziale im Zuge des „New Green Deals“ analysiert. „Wir wollen die Beiträge, die die steirischen Betriebe zur Bewältigung der Klimaherausforderung leisten können, erfassen und den dafür nötigen standortpolitischen Rahmen definieren.“, beschreibt IV-Steiermark Präsident Stefan Stolitzka die Intention der Studie.
Energieintensive Industrie für Steiermark hoch relevant
Die Steiermark ist ein Land, das überdurchschnittlich von energieintensiven Industriezweigen geprägt ist. Insgesamt sind knapp 32.000 Arbeitnehmer:innen in der energieintensiven Industrie tätig, das sind 29,6 Prozent der Industriebeschäftigten bzw. um 40 Prozent mehr als im Schnitt der Bundesländer. „Politische Entscheidungen in den Themenfeldern Energie und Klima auf nationaler und europäischer Ebene sind daher für die Steiermark von überdimensionaler Bedeutung.“, betont Stolitzka.
„Aus industriepolitischer Sicht stellt die energieintensive Industrie einen wesentlichen Faktor der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes dar: Sie ist innovativ und exportorientiert.“, betont JR-Studienautor Eric Kirschner. Die JR-Analyse zeigt, dass die besonders energieintensiven Branchen die Bereiche Papier, Metall, Steine/Erden/Glas darstellen. Sie stehen gemeinsam für 79 Prozent des energetischen Endverbrauchs der steirischen Industrie (66.600 TJ). 13,7 Prozent der steirischen Bruttowertschöpfung entfallen auf die energieintensive Industrie. Im Österreich-Schnitt sind es 7,6 Prozent, was die überdurchschnittliche Relevanz dieses Industriezweiges für die Steiermark verdeutlicht.
Entkopplung von Produktion, Energieverbrauch und Emissionen
„Zentral ist, dass wenn in der Steiermark mehr produziert wird, die Emissionen nur unterproportional steigen. Das ist ein Beleg für die hohe Energieeffizienz und die Entkopplung von Produktion und Emission.“, hebt Kirschner hervor. Während im Zeitraum 2011 bis 2018 die Bruttowertschöpfung in der Warenherstellung um 23,9 Prozent gestiegen ist, erhöhten sich die Treibhausgasemissionen (THG) nur um 1,5 Prozent. Relativ gesehen ist damit ein deutlicher Rückgang der THG-Emissionen gelungen.
Umwelttechnologien als Chance für Klima und Steiermark
Die Steiermark zeichnet sich auch besonders durch die Erzeugung von Umweltgütern und Umwelttechnologien, also Gütern, die insbesondere zur Reduktion der Emissionen beitragen, aus. Im Kernbereich der steirischen Umwelttechnikindustrie sind über 13.000 Erwerbstätige beschäftigt. Im Bundesländervergleich zählt die Steiermark damit die meisten Beschäftigten in diesem Sektor (11,7 Prozent der Industriebeschäftigten, im Österreich-Schnitt sind es 7,8 Prozent). In den letzten fünf Jahren konnte ein jährliches Beschäftigungswachstum von 3,5 Prozent verzeichnet werden. Die Symbiose aus energieintensiver Industrie und Umwelttechnikindustrie macht die Steiermark einzigartig: „Die Steiermark ist eine Region, in der die Entwicklung neuer Technologien und deren schnellstmöglicher Einsatz in der Produktion am selben Ort besonders gut gelingen kann.“, ist Bernhard Puttinger, Geschäftsführer des Green Tech Clusters (GTC) überzeugt.
Beleg dafür liefern zahlreiche Beispiele steirischer Betriebe. So wird beispielsweise bei der Andritz AG Kraftwerkstechnologie entwickelt und gefertigt, die die Energiegewinnung weltweit prägt. Beeindruckende 23 Prozent aller Wasserkraftwerke weltweit haben wesentliche Komponenten von Andritz verbaut und liefern Ökostrom mit einem „steirischen Herz“. Bei TDK Electronics in Deutschlandsberg entwickelt man neuartige Energiespeicher, die nicht nur kleiner, sondern auch umweltfreundlicher sind. Im Gegensatz zu den meisten gängigen Technologien benötigt der weltweit erste keramische Solid-State-Akkumulator keine flüssigen Elektrolyte.
„Die Nachfrage nach Klimaschutz- und Kreislaufwirtschafts-Lösungen wird mit dem europäischen „New Green Deal“ massiv steigen. Für die Steiermark, die auch als das Green Tech Valley gilt, ist dies eine klare Chance.“, ist Puttinger zuversichtlich.
Führend bei Kooperationen und eine exzellente Forschungslandschaft
Basis für zahlreiche Innovationen und Technologieführerschaft ist die für die Steiermark bekannte aktive Kooperation von Forschung und Wirtschaft. Zentrales Instrument ist dabei oft das COMET-Programm der FFG Forschungsförderungsgesellschaft. Hier ist die Steiermark in jenen Teilen mit einem ausgeprägten oder ausschließlichen Fokus auf Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit mit einem Anteil von rund 75 Prozent ganz klar der Hotspot Österreichs. Zudem finden 60 Prozent aller österreichischen Forschungsaktivitäten zum Zukunftsthema grüner Wasserstoff in der Steiermark statt.
Verlagerung würde mehr Emissionen bedeuten
„Die steirische Industrie lehnt sich niemals zurück. Sie investiert laufend in Verbesserungen, um die Emissionen in der Steiermark weiter zu reduzieren.“, stellt Stolitzka klar. Neben der permanenten Steigerung der Energieeffizienz und des Einsatzes erneuerbarer Energieträger besteht die besondere Herausforderung, die prozessbedingten CO2-Emissionen durch neue Technologien zu reduzieren. Die erfolgreichen Maßnahmen der Betriebe sind belegbar: Beispielsweise liegen die THG je produzierter Tonne Stahl mittlerweile um 24 Prozent unter den vergleichbaren Werten des Jahres 1990. Die Herstellung von Betonstahl verursacht in Italien um 50 Prozent höhere CO2-Emissionen als in Österreich. Bei der Produktion von Zement liegt Österreich bei den Emissionen je Tonne um 22 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt.
„Maßnahmen für den Klimaschutz, etwa der Ausbau der Bahninfrastruktur, lösen Bedarfe an Beton, Stahl oder Zement aus. Es ist nicht unerheblich, wo diese Stoffe produziert werden. Eine Verlagerung dieser Industrien in andere Länder ist mit dem Risiko verbunden, dass am neuen Produktionsstandort höhere THG-Emissionen bei der Produktion entstehen. Das würde letztlich zu einem Anstieg der globalen Treibhausemissionen führen.“, so Stolitzka.
Technologieoffenheit und Planbarkeit
Die Rolle als wichtiger Arbeitgeber in der Steiermark und jene des Anbieters von Lösungen für den weltweiten, ressourcenschonenden Einsatz will und kann die steirische Industrie ebenso weiter wahrnehmen, wie sie Emissionen vor Ort reduzieren will. Dafür braucht es Technologieoffenheit und Planbarkeit für Investitionen. „Mit dem derzeitigen Stand der Technologien können die Klimaziele in vielen Branchen nicht erreicht werden. Umfassende Treibhausgasminderungen werden nur über radikale Prozessinnovationen und über umfangreiche Technologie- und Infrastrukturinvestitionen gelingen. Der Investitionsbedarf ist erheblich und die Erneuerung des Kapitalstocks nimmt Jahrzehnte in Anspruch. All das setzt einen attraktiven, stabilen und planbaren Rahmen für Investitionen und Forschung voraus.“, betont Stolitzka.
Zudem muss auf eine Technologieoffenheit in der Strategieentwicklung geachtet werden und die bestehenden Stärken in der österreichischen und steirischen Umwelttechnikindustrie gezielt genutzt werden. Stolitzka: „Das Bild der steirischen Industrie ist leider noch nicht dort wo es sein sollte, denn wir sind bereits ein zentraler Teil der Lösung der Klimakrise. Rechnet man den Life Cycle der Produkte ein und die dadurch entstehenden Senkungsraten von CO2, sind steirische Technologien vielfach unschlagbar“.
Konkret fordert die IV-Steiermark:
Industriellenvereinigung, Green Tech Cluster und Unternehmen bündeln ihre Kräfte um Pionier-Unternehmen am Weg zur eigenen Klimaneutralität zu begleiten und deren Vernetzung zu fördern, initiieren Green Tech Cluster und IV-Steiermark, gemeinsam mit der IV-Kärnten eine eigene Plattform.
„Wenn es uns gelingt, die Transformation erfolgreich zu gestalten, ergeben sich nicht nur vermehrte Verkaufschancen auf den Weltmärkten, sondern auch ein noch größerer positiver Impact auf das globale Klima.“, hebt Stolitzka abschließend hervor.