Georg Knill: Wir können und müssen jetzt als Industrie, als Standort aber auch als Gesellschaft beweisen, dass wir wandlungsfähig und flexibel sind. Pflichtschulen im Sommer zu öffnen und den Schulraum von Bundessschulen nutzen zu können, wäre ein starkes Zeichen und eine wertvolle Unterstützung für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen. Wir benötigen eine breite Allianz des Ermöglichens.
Sommerbetreuung 2020 sicherstellen und Weichen für die Zukunft setzen
Die gegenwärtige Corona-Krise und ihre Folgen führen vor Augen, dass die heimische Bildungs- und Betreuungslandschaft flexibel agiert. Gleichzeitig wird Verbesserungspotenzial sichtbar. Die Relevanz digitaler Angebote wurde deutlich (Distance Learning und Home-Schooling) – umso erfreulicher, dass sich die Bildungsdirektion Steiermark und die steirische Landespolitik dieses Themas bereits intensiv angenommen haben.
Akuten Handlungsbedarf orten die Arbeitgeber*innen- und Arbeitnehmer*innen- Vertreter*innen bei der Planungs- und Angebotssicherheit in der Kinderbetreuung im Sommer. Durch den vielfach bereits konsumierten Urlaubsanspruch sowie den Wegfall der Großeltern als Betreuungspersonen sind Flexibilität und rasche Lösungen gefragt.
Die aktuelle Ausnahmesituation muss aus Sicht der steirischen Sozialpartner jedoch auch dafür genutzt werden, das Thema „Sommerbetreuung“ grundlegend zu diskutieren und generelle, mittel- und langfristige Weichenstellungen zu treffen. Schließlich lassen sich die Sommermonate dafür nutzen, dass zum einen Bildungsdefizite bei Schülerinnen und Schülern abseits des schulischen Alltags behoben bzw. vermindert werden und zum anderen Talente und Interessen entsprechend gefördert und forciert werden. Der Vorstoß des Bildungsministeriums hinsichtlich der Einrichtung eines Summerschool-Systems ist ein erster wichtiger Schritt, der, wenn inhaltlich noch vertieft, Teil der Lösung sein kann.
Die steirischen Sozialpartner regen an:
Aktuelle Herausforderung meistern: Sommerbetreuung 2020 sicherstellen
Kurzfristig gilt es, das Sommerbetreuungsangebot 2020 flexibel zu gestalten, notfalls auch aufzustocken und rechtlich durch klare Vorgaben abzusichern. In der Steiermark stehen rd. 120.000 Beschäftigte vor der Herausforderung, ihre Kinder über die Sommermonate betreuen zu lassen. Niederschwellige und leistbare Betreuungsangebote an möglichst allen Standorten für mind. 4 - 6 Wochen sind Gebot der Stunde. Aus Sicht der steirischen Sozialpartner gilt es folgende Schritte zu setzen:
Nutzerfreundliche Plattform zur Abbildung des gesamten Kinderbetreuungsangebotes
Um schnell und unkompliziert geeignete Betreuungsangebote finden zu können, sollte die bestehende steirische Plattform für Kinderbetreuungsangebote „Kinderdrehscheibe“ ausgebaut werden, die sowohl Landes- als auch Gemeindeangebote sowie private bzw. Sozialpartnerangebote umfasst. Erste auf Landesebene nun gestartete Initiativen werden seitens der Sozialpartner begrüßt.
Defizite im Bereich der Kinderbetreuung langfristig beheben
Vor allem im ländlichen Raum weist die Kinderbetreuungslandschaft nach wie vor Lücken auf – insbesondere um die Betreuung von unter 3-Jährigen ist es dabei schlecht bestellt. Um Eltern den Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit zu erleichtern, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und qualifizierte Arbeitskräfte in den Regionen zu halten, sind zusätzliche Kinderbetreuungsplätze erforderlich – und das nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über.
Summerschool zum Ausgleich bestehender Bildungsdefizite und zur Förderung von (unentdeckten) Talenten nutzen
Laut Ankündigung des Bildungsministers soll es bereits heuer zur Implementierung einer Summerschool kommen, die in erster Linie der Verminderung von Sprachdefiziten dienen soll. Die steirischen Sozialpartner begrüßen das, sehen diesen Ansatz jedoch breiter. Das Angebot im Sommer eine Chance, Lernrückstände in vielen Bereichen aufzuholen und Inhalte zu festigen. Darüber hinaus können sich die steirischen Sozialpartner für die kommenden Jahre die Entwicklung eines umfassenden Summerschool-Systems vorstellen, das nicht nur Lernschwächen und Bildungsdefizite adressiert, sondern in Form von speziellen Projektwochen auch auf die Förderung von Stärken und Talenten abzielt.
Neue Schulstandorte im Großraum Graz nach den Bedürfnissen von Wirtschaft und Arbeitsmarkt ausrichten
Attraktive Wirtschaftsstandorte zeichnen sich zunehmend durch ein breites Angebot an Bildungseinrichtungen und in weiterer Folge die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte in den unterschiedlichsten Bereichen aus. Neue Schulstandorte und damit ein Mehr an Angebot ist jedenfalls zu begrüßen und die Zusage der Bundesregierung für drei neue steirische Bildungseinrichtungen erfreulich. Gleichzeitig ist es den steirischen Sozialpartnern ein Anliegen, das neue Angebot den Anforderungen des Arbeitsmarktes und damit auch möglichen beruflichen Perspektiven für Jugendliche anzupassen. Die drei geplanten Schulstandorte als AHS auszugestalten, führt am Bedarf vorbei. Vielmehr braucht es ein breites und differenziertes schulisches Angebot.
Dazu schlagen die steirischen Sozialpartner vor:
HTL statt AHS-Langform gegen Fachkräftemangel
Bildungseinrichtungen unterstützen die Ausbildung von Fachkräften am Standort und sichern somit den bestmöglichen Übergang von Schule in den Beruf. Angesichts der voranschreitenden Digitalisierung und des enorm hohen Bedarfs an Absolventinnen und Absolventen im MINT Bereich, ist die Ausführung einer der geplanten neuen Schulen als Höheren Technischen Lehranstalt sicherzustellen.
Internationale Schule für mehr Standortattraktivität
Die Steiermark ist ein international stark vernetzter Wirtschaftsstandort und ist auf hochqualifizierte Fachkräfte aus aller Welt angewiesen. Um diesen Fachkräften und deren Familien bestmögliche Perspektiven – nicht nur im Arbeitsumfeld – bieten zu können, bedarf es international ausgerichteter Bildungsangebote. Die Ausrichtung einer der drei geplanten neuen Schulen als internationale Schule mit der Möglichkeit, mit dem IB (International Baccalaureate) abzuschließen, ist ein zusätzliches Asset für die gesamte Region.
Georg Knill, Präsident IV-Steiermark: Um Zukunftstechnologien vor Ort gestalten zu können, brauchen wir die weltweit besten Köpfe in der Steiermark. Der Wettbewerb um diese Spitzenkräfte ist ein internationaler geworden – wir stehen in Konkurrenz zu Regionen wie Silicon Valley, München oder Shanghai. Ein attraktives Umfeld für die Familien dieser Expertinnen und Experten und ganz besonders die Verfügbarkeit eines Schulplatzes an einer internationalen Schule entscheiden immer öfter über die „Talent Attraction“ von Regionen. Das Angebot in der Steiermark ist qualitativ gut, aber leider quantitativ nicht ausreichend, um den steigenden Bedarf abdecken zu können. Wir brauchen daher dringend den Ausbau des bilingualen Schulangebots, insbesondere der Möglichkeit des International Baccalaureate, in der Steiermark. Der geplante Schulausbau im Großraum Graz bietet die Chance, die Graz International Bilingual School (GIBS) auszubauen – diese sollten wir rasch ergreifen.“
Wirtschaft in die Schule
Die Vermittlung von Finanz- und Wirtschaftswissen kommt an heimischen Schulen zu kurz. Aus diesem Grund ist dieser Themenkomplex (z.B. als Schulschwerpunkt an bestehenden AHS) zu forcieren.
weitere Statements:
Josef Herk, Präsident WKO Steiermark: „Corona hat uns die Lücken in unserem Bildungs- und Betreuungssystem noch einmal mit aller Deutlichkeit aufgezeigt. Ziel muss es daher sein, die akuten Probleme, speziell was die Situation in diesem Sommer angeht, wo viele ihr Urlaubskontingent bereits aufgebraucht haben, mit möglichst großer Flexibilität zu lösen und für die Zukunft neu aufzustellen. Neun Wochen Sommerferien ohne flächendeckende Betreuungsangebote passen mit der gesellschaftlichen Realität schon lange nicht mehr zusammen. Wir plädieren aus diesem Grund für die Entwicklung eines umfassenden Summerschoolsystems, das nicht nur Lernschwächen und Bildungsdefizite avisiert, sondern, in Form von speziellen Projektwochen etwa, auch auf die Förderung von Neigungen und Talenten abzielt. Darüber hinaus müssen wir unser Bildungssystem stärker den Bedürfnissen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer anpassen. Sprich, es braucht eine Forcierung des HTL-Bereichs, wie wir jüngst am Beispiel Hartberg evaluiert haben. Von 200 befragten Betrieben haben uns hier drei Viertel einen Bedarf an HTL-Absolventen gemeldet.“
Josef Pesserl, Präsident AK Steiermark: „Die AK hat sofort auf die Corona-Situation reagiert und ihre Lernbetreuungs- und Freizeitangebote im Sommer ausgeweitet. AKtiv Lernen und die TUit-Workshops werden auf drei Wochen ausgedehnt. Und: AKtiv Lernen richtet sich erstmals auch an Kinder der 4. Volksschulklassen. Die neue AK-Nachhilfestudie zeigt nämlich, dass immer mehr Kinder vor einem Schulwechsel Nachhilfe erhalten, um ihre Noten zu verbessern. Wir appellieren daher dringend an die Politik, alle Maßnahmen zu treffen, um während der Sommerferien ein für alle leistbares Betreuungsangebot zu gewährleisten. Die Arbeiterkammer Steiermark begrüßt grundsätzlich den Ausbau bzw. die Umbauten in den steirischen Schulen. Aber: Ein Ausbau nur im Bereich der AHS sowie einer Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik im Grazer Umland ist zu wenig. Laut einer AK-Studie wünschen sich die meisten Schülerinnen und Schüler einen stärkeren Praxisbezug bzw. stärkere berufliche Praxis in Ihrer Schulausbildung. Der Ausbau der Ganztagsschulen muss beschleunigt werden. Die AK-Nachhilfestudie zeigt eindeutig, dass nur die echte Ganztagsschule die Eltern vom Lernen mit den Kindern und von teurer Nachhilfe entlastet. Und der Besuch einer Ganztagsschule muss im Unterschied zu jetzt beitragsfrei sein.“
Horst Schachner, Vorsitzender ÖGB Steiermark: „Laut der neuen AK-Nachhilfestudie bekommt ein Viertel aller steirischen Schulkinder Nachhilfe, tausende weitere sind aus Kostengründen aber davon ausgeschlossen. Es wäre wichtig, das hier mit AKtiv Lernen vorgelebte Prinzip aufzugreifen. Hochwertige Betreuungsangebote für Kinder vom Kindergarten bis zum Ende der Pflichtschule sollten kostengünstig bzw. für sozial Bedürftige kostenfrei flächendeckend in der Steiermark angeboten werden. In Zeiten wie diesen müssen die ohnedies über die Maßen geforderten Familien entlastet werden – auch um einen drohenden sozialen Bildungs-Gap zu vermeiden. Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel fordert der ÖGB eine weitere HTL für den Großraum Graz und den obersteirischen Raum sowie mehr Mittel für die Schulen, besonders für die Neuen Mittelschulen. Es genügt nicht, nur neue Gymnasien zu installieren, diese benötigen auch eine praxisnahe Schwerpunktsetzung. Schulen müssen besser auf das Berufsleben vorbereiten, die derzeit angebotenen Schwerpunkte reichen nicht aus. Der Bildungserfolg der Kinder hängt stark vom Elternhaus ab. Nachhilfe ist für viele Familien nicht finanzierbar, das zeigt auch die aktuelle AK-Nachhilfestudie. Damit die Schule diese Ungleichheiten ausgleichen kann, braucht es eine bedarfsorientierte Schulfinanzierung. Schulen, die von vielen Schülerinnen und Schülern mit hohem Förderbedarf besucht werden, erhalten mehr Geld und können damit zusätzliche Lernhilfe, mehr pädagogisches Personal und andere Unterstützung bieten.“