Die Steiermark hat bei Kinderbildungsangeboten Aufholbedarf. Höhere Flexibilität für Eltern macht Standort attraktiver. Gut ausgebildete junge Frauen als wichtige Fachkräfte am Arbeitsmarkt gefragt. Kindern Recht auf Bildung geben.
Die Steiermark ist bei der Kinderbetreuung und -bildung solide aufgestellt, aber definitiv nicht Spitzenreiterin. Bei Indikatoren zu Betreuungsquote, Öffnungszeiten und Schließtage fällt die Steiermark im Bundesländervergleich deutlich ab. Moderne Kinderbetreuungsinfrastruktur ist längst kein „Goodie“ mehr für Familien, sie steht auch für die Attraktivität eines Standorts. Die Junge Industrie (JI) Steiermark legt in einem Lösungspapier konkrete Maßnahmen vor, die Kindern ein Recht auf Bildung geben und Eltern größtmögliche Flexibilität bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie einräumen. „Wir erleben in nahezu allen Bereich einen Fachkräftemangel, der zunehmend zur Wachstumsbremse werden kann. Gleichzeitig verzichten wir auf eine Vielzahl exzellent ausgebildeter junger Menschen, – vornehmlich Frauen – die mangels Betreuungsangebote nicht zu ihrem Wunschzeitpunkt und in ihrem Wunschausmaß nach der Babypause in den Beruf zurückkommen“, so Dominik Santner, Vorsitzender der JI Steiermark.
Von der digitalen Plattform bis zum gesellschaftspolitischen Wandel
Das Netzwerk junger Führungskräfte aus der Industrie hat in den vergangenen Monaten einen umfassenden Prozess gestartet, Zahlen verglichen und sich mit Eltern, Pädagog:innen, Forscher:innen, Politiker:innen und Vorreiter:innen ausgetauscht. Das Ergebnis sind Lösungsideen in neun Themenbereichen, darunter Maßnahmen, die das Matching von Angebot und Nachfrage zeitgemäß gestalten, für mehr Budgettransparenz und damit Vergleichbarkeit sorgen oder das Gemeindesprengeldenken aufweichen.
„Es geht bei Weitem nicht nur um die Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen. Es gilt ganz grundsätzlich beim Bewusstsein anzusetzen. Die Kinderkrippe ermöglicht es nicht nur den Eltern, Kinder betreuen zu lassen, sondern Kindern qualitative Bildungszeit zu erleben. Damit erhalten Kinder Chancengleichheit vom frühestmöglichen Zeitpunkt an“, so Julia Aichhorn, Vorsitzende der JI Steiermark, zur umfangreichen Bandbreite der Ideen.
Plätze teilen – Betreuungsquote heben
Die Hebung der Betreuungsquote der unter Dreijähren muss aus Sicht der JI Steiermark ein mittelfristiges Ziel sein. Derzeit werden laut Kindertagesheimstatistik in der Steiermark 22 Prozent der 0-3-Jährigen betreut. In Wien sind es 46 Prozent. Rasche Abhilfe könnt die Teilung von Plätzen bringen. „Kinder, die beispielsweise nur 3 Tage in der Woche Betreuung benötigen, belegen dennoch die ganze Woche in einer Einrichtung. Das liegt daran, dass wir Plätze und nicht Kinder fördern. Teilbare Plätze würden automatisch mehr Kinder in Betreuung bringen, die Quote anheben und das ohne Infrastrukturinvestition“, erklärt Santner.
Weitere Lösungsvorschläge auf landespolitischer Ebene sind etwa die flächendeckende Einführung der Sozialstaffel für die Kinderkrippe: Gerade für Wiedereinsteiger:innnen mit geringem Stundenausmaß sind die Betreuungskosten überproportional hoch. Und die JI ortet Potenzial in der Kooperation von Gemeinden. Derzeit ist es vor allem für Familien am Land schwierig, Elementarbildungsangebote zu finden und das Ausweichen in eine Nachbargemeinde ist vielfach nicht möglich. Hier müssten neue Wege beschritten werden, um ein Ende des Sprengeldenkens zu erreichen, so die JI-Steiermark-Vorsitzenden.
Fairness beim rechtlichen Rahmen
Kinderbetreuung ist in Österreich mehrheitlich Frauensache, ein Umstand, der durch den rechtlichen Rahmen begünstigt wird. Die JI Steiermark setzt sich für eine Ausweitung der Anreize für Papa-Monat und die Väterkarenz ein. Beim geplanten Pensionssplitting darf es nach Meinung der JI zu keiner Schlechterstellung eines Elternteils kommen und „wir müssen Frauen bewusst machen, welche finanziellen und karrieretechnischen Spätfolgen lange Karenzzeiten haben“, so Aichhorn. Altersarmut und Gender-Pay-Gap sind Phänomene, die vor allem Frauen treffen und ihren Ausgang in sehr langen Teilzeit-Beschäftigungsausmaßen nehmen. Das Bewusstsein für die Folgen jahrelanger Mini-Teilzeiten unter 20 Stunden müssen bekannt sein. Neue Modelle wie etwa das Jobsharing sind weiter auszubauen und müssen für Väter wie Mütter gleichermaßen attraktiv sein.
Auszug Lösungsideen
Höhere Betreuungsquote durch Ausbau, flexible Betreuungszeitmodelle und geteilte Plätze
Für mehr Elementarbildungsangebote der unter 3-Jährigen soll bis 2023 ein Rechtsanspruch auf einen qualitativ hochwertigen, ganztägigen, ganzjährigen sowie leistbaren Elementarbildungsplatz für alle Kinder ab dem 2. Geburtstag und bis 2025 ab dem 1. Geburtstag in der Steiermark eingeführt werden. Damit dies gelingt, können neben dem generellen Ausbau zusätzlich auch Elementarbildungsplätze geteilt werden.
Grenzen überwinden und Kompetenzen neu denken
Gemeindesprengeldenken verhindert Flexibilität und Kooperationsprojekte von Gemeinden sind noch immer die Ausnahme. Werden die Agenden auf Landesebene gebündelt, gelingt mehr Kostentransparenz und -effizienz, mehr Bedarfstransparenz und ein besseres Angebot für Kinder wie Eltern. Langfristig soll die Übernahme der Elementarbildung in Bundeskompetenz angestrebt werden. Kurzfristig unterstützt die Einführung der Sozialstaffel bei Kinderkrippenplätzen.
Digital ist normal – auch bei der Betreuungsinfrastruktur
Eine digitale Plattform schafft tagesaktuell und in der ganzen Steiermark eine rasche Vernetzung von Angebot und Nachfrage.
Attraktive Arbeitsplätze für Pädagog:innen
Das gemeinsame Handeln von Bund und Ländern bei einer Ausbildungsoffensive für Pädagog:innen muss weiter vorangetrieben werden und der Qualifikationsmix aus post-sekundärer, tertiärer Ausbildung sowie Quereinsteigern geschaffen werden.
Nachmittage auch am Land bedienen
Umfassendere Öffnungszeiten schaffen in Stadt und Land mehr Elementarbildungsplätze und eine höhere Flexibilität für Familien. Für Schüler:innen wird eine weitestgehend verschränkte Ganztagsschule angestrebt.
Rechtlichen Rahmen vereinfachen und Anreize für Partnerschaftlichkeit schaffen
Zuverdienstgrenzen abschaffen und dadurch den Wiedereinstieg erleichtern sowie ein automatisches Pensionssplitting ohne Schlechterstellung eines Elternteils etablieren.
Industrie als Vorreiterin
Ein eigener Karenz-Vertretungspool unterstützt Betriebe wie Beschäftigte. Die Kommunikation von Best Practice Beispielen rund um Jobsharing und Top-Sharing animiert zum Nachahmen.
Zu Risiken und Nebenwirkungen langer Karenz- und Elternteilzeiten aufklären
Nicht nur das Bewusstsein für 50:50 gilt es zu schärfen, sondern auch jenes der Frauen für die finanziellen und karrieretechnischen Risiken und Nebenwirkungen langer Karenz- und Elternteilzeiten. Gender-Pay-Gap, Einbußen bei der Pension und Altersarmut sind Risiken für Frauen und als solche von der Politik, aber auch ihnen selbst zu thematisieren.
Neue Wege gehen und in Generationen denken
Neben der notwendigen Betreuung von Kindern kommt im Laufe des Lebens auch die Betreuung älterer Familienmitglieder hinzu. Generationenzentren ermöglichen Synergieeffekte.
Alle Lösungsideen im Detail stehen hier zur Nachlese zur Verfügung.