Pressemeldungen IV-Steiermark

Perspektive statt Planlosigkeit

Auszug aus der Rede von Präsident Dr. Kurt Maier anlässlich des IV-Steiermark Neujahrsempfangs

******* Es gilt das gesprochene Wort *********

Sehr geehrte Damen und Herren!

Die letzten Jahre haben zweifellos ihre Spuren in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft hinterlassen. Nach einer globalen Pandemie gibt es weiterhin einen Krieg mitten in Europa, eine explosive Situation im Nahen Osten, und zunehmende geopolitische Unsicherheit und Unberechenbarkeit. Es gab Phasen mit sehr hoher Inflation und, wenn wir die Industrie hernehmen, wir steuern auf das vierte Rezessionsjahr zu. Eine Rezession, die laut aktuellen Prognosen bestenfalls in eine Stagnation übergeht. Der in früheren Prognosen oft angekündigte „Aufschwung“ für das „nächste Halbjahr“ hat mehrfach nicht stattgefunden. Stagnation bedeutet aber Stillstand. Stillstand können wir uns nicht mehr länger leisten – auf keiner Ebene. 

Wir alle kennen die Themen und leiden darunter – ein schwer einschätzbares Marktumfeld, stark gestiegene Lohnkosten, hohe Energiepreise, überbordende Regulierung.

Dadurch haben wir uns auf europäischer Ebene und global immer stärker aus dem Markt gepreist und wir erleben seit einigen Monaten, dass die Zahl der Arbeitslosen in der Produktion stark steigt. Die Steiermark ist als Industrieland davon besonders betroffen. 

Wir befinden uns insgesamt in einer Situation, in der Vorhersagen und damit Planbarkeit schwierig sind. In Wirklichkeit ist es für uns in der Industrie derzeit ein „Fahren auf Sicht bei starkem Nebel“. 

Dennoch versuche ich mit Zuversicht in das neue Jahr und in die Zukunft zu blicken.

Wieso, werden sie sich jetzt fragen?

Bei allen Schwierigkeiten, die wir unbestritten haben, muss uns immer bewusst sein:

Die Zukunft ist kein vorgeschriebenes Buch, sondern wir haben ihre Gestaltung durch unsere Entscheidungen und Handlungen selbst in der Hand. Das bedeutet auch: Wir dürfen uns unsere Zukunft von niemand anderem aus der Hand nehmen lassen.

Ja, es liegen keine leichten Aufgaben vor uns. Aber: Wir haben es immer wieder geschafft, aus schwierigen Phasen gestärkt hervorzugehen. Dafür ist gerade unsere Steiermark ein gutes Beispiel.

Viele unserer Mitglieder zeigen, dass sie den schwierigen Rahmenbedingungen trotzen und mit Innovationen erfolgreich sind. Wer nicht an die Zukunft glaubt, kann und wird ein Unternehmen nicht erfolgreich führen können. Unternehmerisches Handeln und Zuversicht sind per se untrennbar miteinander verbunden.

Und das alles gibt mir und uns die Zuversicht, dass wir diese sehr schwierige Phase bewältigen können. Voraussetzung ist aber Perspektive statt Planlosigkeit.  

Denn: Eine gute Zukunft ist kein Selbstläufer.

Jetzt muss der Ernst der Lage von allen Entscheidungsträgerinnen und -trägern erkannt werden.

Jetzt heißt es die Ärmel aufzukrempeln und Lösungen umzusetzen.

Jetzt ist Zeit der entscheidende Faktor – und die läuft uns zusehends davon. Wir brauchen Maßnahmen, die unmittelbar und positiv im Ergebnis wirksam sind. 

Werden die wirtschaftspolitischen Weichen nicht so schnell wie möglich in die richtige Richtung gestellt, dann landen wir als Standort mit unseren Betrieben und Arbeitsplätzen am Abstellgleis. Das sich außerhalb Österreichs befindet. Und so etwas geht in einer hochkompetitiven Wirtschaftswelt schneller, als es sich viele vorstellen können. Dabei muss uns allen bewusst sein: Verschwindet die Industrie, verschwindet der Wohlstand. 

Wie gesagt: Wir alle wissen, in welcher Situation wir uns befinden. Und so ehrlich müssen wir sein: In den letzten Jahren haben wir uns als Standort in die falsche Richtung entwickelt – während die Dynamik in vielen aufstrebenden Regionen in der Welt stark zunimmt.  

Die ausufernde Entwicklung unseres Budgets oder der stark wachsende „Zuschussbetrieb“ namens Pensionssystem sind Symptome dafür, dass wir zu wenig für die Zukunft getan haben.

Klar ist doch eines: Unsere Wettbewerbsfähigkeit muss wieder das entscheidende Maß für die Zukunft sein, sowohl in der EU als auch im Bund wie im Land.

Unser aller Anspruch muss es sein, als Standort zu den Besten zu gehören. Unser Anspruch muss es sein, dass Industrie und Produktion fester Bestandteil des Landes sind.  

Analysen dazu haben wir genug. Die entscheidende Frage ist jetzt: Wenn wir wissen, in welcher Situation wir uns befinden – wieso verharren wir in ihr? Und wenn wir unsere Probleme kennen, wieso lösen wir diese nicht? Mein Zugang ist: Gemeinsame Zuversicht bedeutet auch gemeinsame Verantwortung zur Lösung von Problemen. Es kann und muss jeder seinen Beitrag leisten, damit es uns insgesamt wieder besser geht.  

Die Politik muss ihre Hausaufgaben machen und vor allem Probleme an der Wurzel bekämpfen, anstatt ständig nur Symptombekämpfung zu betreiben – mit Geld, das wir noch gar nicht verdient haben. Das Ergebnis ist, dass wir die Maastricht-Kriterien nicht mehr einhalten, dass uns ein Defizitverfahren droht. Die Haushaltssanierung darf nicht auf den St. Nimmerleinstag verschoben werden. Ein weiteres Kaschieren oder Verzögern, bis die Troika kommt, können wir uns in dieser Republik nicht leisten

Ich will das bekannte Zitat von Ingeborg Bachmann nicht überstrapazieren, aber ja: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“. Ich würde sogar sagen, die Menschen haben ein Recht auf die Wahrheit.  Die Menschen wollen Klarheit, denn sie spüren, dass etwas nicht stimmt und sind dadurch verunsichert. 

Wie machen wir das in unseren Unternehmen? Wenn es große Herausforderungen bei uns in den Betrieben gibt, dann ist es unsere Aufgabe, diese zu managen. Das machen wir mit transparenter Kommunikation und dem Aufzeigen eines Weges durch klare Maßnahmen, die auch umgesetzt werden.

Und das erwarten wir uns auch von der Politik. Mit anderen Worten: Wir brauchen Leadership mit Mut zur Wahrheit und Kraft zur Tat. Damit kann die Politik der ganzen Gesellschaft wieder Zuversicht geben.  

Das muss auch die Sozialpartnerschaft wieder tun. Mit einem veralteten Unternehmerbild wird dies aber nicht gelingen. Wenn so mancher Sozialpartner Eigentümern und Managern mangelnde soziale Verantwortung vorwirft, ist es weder vertrauensbildend, noch trägt es dazu bei, gemeinsam aus der aktuell schwierigen Situation herauszukommen.  

Soziale Verantwortung bedeutet für mich, dass wir unsere Unternehmen so führen und Maßnahmen setzen, damit es sie auch in Zukunft gibt und, dass weiterhin Produktion und damit viele hochwertige Arbeitsplätze in Österreich erhalten bleiben und neue geschaffen werden.  

Wir werden viele Dinge auch neu denken und anders machen müssen, um wieder zukunftsfit zu werden. Das betrifft das System der KV-Verhandlungen aber auch die Rahmenbedingungen für eine moderne Arbeitswelt. Die Sozialpartnerschaft ist gefragt, neue Wege zu gehen –damit kann auch sie wieder Zuversicht geben. Dazu wird es auch nötig sein als Steiermark geeint nach Wien zu wirken.  

Der Neujahrsempfang im vergangenen Jahr stand im Zeichen des Superwahljahres 2024. Die Wahlen sind nun geschlagen. Wir müssen die neuen Legislaturperioden als Chance sehen und nutzen. Alles andere wäre höchst fahrlässig und käme einem Aufgeben gleich.  

Auf europäischer Ebene ist es schon einmal erfreulich, dass mittlerweile das Thema Wettbewerbsfähigkeit als oberste Priorität genannt wird, das muss sich auch bei der weiteren Ausgestaltung des „Green Deal“ bemerkbar machen und die Regulierungsflut beendet werden.
Auf Bundesebene ist es tragisch, dass so viel Zeit verloren wurde und – zumindest bisher - keine echte Reformbereitschaft zu spüren ist. Wir brauchen rasch eine stabile Regierung, die den Haushalt ausgabenseitig konsolidiert und nicht vor strukturellen Veränderungen scheut. 

Denn die Situation ist untragbar geworden. Dass der Zustand unseres Landes unsere Amtsträger kaum zu stören scheint, und in dieser hochlabilen Phase sogar über ein weiteres Aussetzen der Regierungsarbeit durch mögliche Neuwahlen nachgedacht wird, macht mich fast sprachlos.  

Als positives Gegenbeispiel möchte ich unsere steirische Landesebene erwähnen. Es wurde nicht nur zügig verhandelt bzw. eine Regierung gebildet, sondern auch ein solides Programm vorgelegt. Nun muss das neue Team umgehend ins Tun kommen.  

Wir werden als Industriellenvereinigung in der angekündigten Standortpartnerschaft im Land sehr gerne und sehr intensiv mitwirken. Voraussetzung für unsere Einbringen ist es, dass es gelingen muss, die Steiermark einen Fortschritt vorauszubringen.

Wir freuen uns schon auf die ersten konkreten Schritte dazu und schön, dass die neue Landesregierung heute so stark vertreten ist. Ich wünsche Ihnen für die herausfordernden Zeiten und die Aufgaben, die vor Ihnen liegen alles Gute. Und vor allem viel Umsetzungswillen. Wir werden Sie an Ihren Erfolgen und Ergebnissen messen, wie das in der Industrie üblich ist. 

Sehr geehrte Damen und Herren, an dieser Stelle noch ein Wort zur Rolle der Industriellenvereinigung. Wir müssen uns der Verantwortung unserer Organisation in dieser schwierigen Zeit bewusst sein. Wir sind die starke Stimme der wirtschaftlichen, der standortpolitischen Vernunft im Land.

Die steirische Industrie, die 35% der regionalen Wertschöpfung erbringt und mit ihren rund 125.000 direkt Beschäftigen der mit Abstand größte Arbeitgeber ist, erwartet sich, dass auf allen politischen Ebenen richtige und klare Prioritäten gesetzt werden. 

 Auch wenn diese Punkte nicht neu sind. Wir brauchen:

  • wettbewerbsfähige Lohnstückkosten
  • leistbare und sichere Energie
  • weniger Regulierung und Bürokratie
  • gut ausgebildete Fachkräfte
  • eine bessere infrastrukturelle Anbindung
  • eine attraktive F&E-Landschaft
  • und notwendige Freihandelsabkommen

Wir alle hier kennen die Herausforderungen, die vor uns liegen. Sie zu lösen, ist keine einfache Aufgabe, aber es ist eine Aufgabe, die in einem gemeinsamen Kraftakt mit Zuversicht und in gemeinsamer Verantwortung für die Zukunft schaffbar ist. Für die Industrie traue ich mich zu sagen, dass wir mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseren Beitrag dazu leisten, jeden Tag mit vollem Einsatz.

Gemeinsam mit den Mitgliedsbetrieben der IV-Steiermark, haben wir fundierte Lösungen erarbeitet und in unserem Papier „Immer einen Fortschritt voraus“ vorgelegt. Allerdings haben auch wir nicht für alles Lösungen parat, aber wir wissen, was ein erfolgreicher Standort Steiermark können muss und auch leisten kann. Und wir haben den Willen zu gestalten

Lösungen entstehen aber auch durch miteinander Reden und im gemeinsamen Tun. Wir stehen jedenfalls mit unserer ganzen Kompetenz und Expertise bereit, um zusammen mehr aus der Zukunft unseres wunderbaren Landes zu machen. Lassen Sie uns keine Zeit mehr verlieren.                

Ich bin fest davon überzeugt: Es ist unser aller Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen, einen realistischen Optimismus zu verbreiten, um damit wieder eine positive Grundstimmung ins Land zu bringen: Mit standortpolitischer Vernunft, mit zukunftsorientierter Arbeit, mit Zuversicht.