Pressemeldungen IV-Steiermark

Investitionsentwicklung der steirischen Industrie

Weckruf für den Standort - mehr Tempo für bessere Rahmenbedingungen notwendig 

Bereits zum sechsten Mal hat Joanneum Research im Auftrag der IV-Steiermark das Investitionsverhalten der steirischen Industrie analysiert. Die Investitionstätigkeit in der steirischen Industrie wurde 2024 spürbar gedrosselt und eine merkliche Erholung ist für 2025 nicht prognostiziert. Margen schrumpfen, unzureichende finanzielle Spielräume verschieben oder reduzieren geplante Projekte. „Es gab im vergangenen Jahr einen Rückgang bei den realen Industrieinvestitionen in der Steiermark von fast 10 Prozent (nominal 7 Prozent) – ein Verlust von Wohlstand aufgrund verschlechterter Wettbewerbsfähigkeit und daraus folgende Tendenzen zu einer schrittweisen Deindustrialisierung müssen befürchtet werden,“ so der Befund der Studienautoren. 

Die Studie ‚Investitionen der steirischen Industrie‘ zeigt, dass zwar in Maschinen, Anlagen, Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Forschung und Entwicklung weiter investiert wurde, jedoch die realen (=inflationsbereinigt) Investitionsvolumina in den Jahren 2023 und 2024 innerhalb der Steiermark deutlich zurückgegangen sind. „Das Investitionsverhalten belegt, was wir schon seit geraumer Zeit als mögliches Szenario für den Industriestandort befürchten: Mangels sinkender Wettbewerbsfähigkeit werden wir zunehmend unattraktiv für Investitionen. Wachstum und Unternehmenserfolg im Blick, investieren steirische Betriebe vermehrt im Ausland und kehren der Steiermark langsam den Rücken. Eine absolut besorgniserregende Entwicklung, der wir Stand heute nicht viel entgegenzusetzen haben,“ so Kurt Maier, Präsident der IV-Steiermark. 

Investitionen gehen verstärkt ins Ausland
Die Analyse der ausländischen Direktinvestitionen zeigt, dass heimische Unternehmen vermehrt im Ausland investieren. Diese Investitionen sind einerseits deutlich umfangreicher und weisen andererseits ein stärkeres Wachstum auf als umgekehrt ausländische Investitionen in die Steiermark. Die mit Abstand wichtigste Verbindung besteht in beide Richtungen klar mit Deutschland. Abgeschlagen dahinter investieren steirische Unternehmen vor allem in Tschechien, den USA, in der Schweiz sowie in Holland. Investitionen in die Steiermark kommen am ehesten aus Deutschland, weit dahinter aus den USA und Italien. Diese Entwicklung könnte sich in Zukunft beschleunigen, wenn es nicht gelingt, die Rahmenbedingungen am Standort deutlich zu verbessern. 

Erforderliche Investitionen für Twin-Transition bleiben aus
2023 lag das reale Investitionsvolumen um 4,6 Prozent unter dem Vorjahr, für 2024 wird sogar ein Rückgang von 9,8 Prozent erwartet. „Die Kombination aus hohen Produktions- und Finanzierungskosten wirkt sich besonders negativ auf Investitionen in Zukunftsfelder wie Digitalisierung, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit aus,“ führt Studienautor Eric Kirschner aus. Der Investitionsbedarf müsste eigentlich angesichts der sogenannten Twin-Transformation – der gleichzeitigen digitalen und grünen Transformation – steigen. Allein für die grüne Transformation werden österreichweit bis 2040 Mehrinvestitionen in Höhe von 47 Milliarden Euro notwendig, für die Steiermark wird ein jährlicher Investitionsbedarf von rund 4,2 Milliarden Euro ausgewiesen. Laut Kirschner zeigt die Analyse jedoch, „dass für 2024 eine steirische Investitionslücke in diesem Bereich von bis zu 400 Millionen Euro verzeichnet wird.“ 

Ersatz statt Erweiterung: Strukturwandel muss gelingen
Ein Großteil der Investitionen entfällt weiterhin auf Ersatzinvestitionen (2024: 56 Prozent; 2025: 43 Prozent), gefolgt von Rationalisierungsvorhaben (2024: 30 Prozent; 2025: 36 Prozent). Investitionen zur Kapazitätsausweitung sind mit 5 Prozent (2024) bzw. 9 Prozent (2025) äußerst gering – ein alarmierendes Signal für eine mögliche Deindustrialisierung. Verschärft wird dieser Eindruck von der Tatsache, dass die Steiermark bereits unter dem österreichweiten Durchschnitt bei Investitionen für eine Kapazitätsausweitung (2024: 11 Prozent; 2025: 13 Prozent) liegt. Insbesondere die größeren Erweiterungsinvestitionen sind in den letzten zwölf Monaten ausgeblieben. Zwar legten die nominellen Bruttoanlageinvestitionen nach dem pandemiebedingten Rückgang im Jahr 2020 (€ 3,09 Mrd.) in den Folgejahren kontinuierlich zu – 2021 auf € 3,82 Mrd., 2022 auf € 3,99 Mrd. und 2023 auf vorläufige € 4,07 Mrd. – doch der scheinbare Anstieg ist vor allem auf hohe Inflationsraten zurückzuführen. Bei inflationsbereinigter Betrachtung zeigt sich ein klarer Rückgang der Investitionstätigkeit. Die massive Kostenbelastung durch gestiegene Energiepreise, hohe Lohnzuwächse sowie anziehende Finanzierungskosten führten dazu, dass viele Unternehmen Investitionen verschoben oder reduziert haben. Für 2024 wird ein nominelles Investitionsvolumen von 3,79 Milliarden Euro erwartet und damit erstmals wieder ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr. 

Forschungsinvestitionen brauchen Produktion
Das Investitionsfeld F&E hat in der Steiermark eine solide Basis und steht für ein wesentliches Standortasset. „Innovative Produkte zeichnen uns aus und haben eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für die Region. F&E braucht aber ein standortpolitisches Bekenntnis zur Produktion von Gütern, Energie und Daten. Ohne Produktion gibt es langfristig auch kein F&E mehr,“ betont Maier. Im Jahr 2024 wurden vorläufig 42,1 Prozent der Investitionsvolumina in der Kategorie „übrige Bruttoanlageinvestitionen“, worunter F&E fällt, investiert. Der Wert ist derzeit auf stabilem Niveau (2023: 42,4 Prozent; 2022: 42,6 Prozent), hätte aber jedenfalls in Hinblick auf die nötigen Transformationen Wachstumspotenzial. „Wir müssen uns bewusst sein, dass die Investitionsentscheidungen, deren Zahlen wir hier analysieren, in wirtschaftlich wie geopolitisch betrachtet ‚einfacheren‘ Zeiten gefallen sind. Die Entscheidungsgrundlage ist derzeit eine andere und die Ergebnisse einer zukünftigen Analyse wohl negativer,“ unterstreicht der Maier die Ausgangslage.  

Landespolitik gefordert – Standortpartnerschaft beleben
Es sind vier zentrale Faktoren, die in der Studie von Joanneum Research diese Ausgangslage definieren und das gegenwärtige Investitionsklima wir vor allem von Kosten, Bürokratie, Demografie sowie F&E geprägt. „Wir haben zu all diesen Faktoren im Zuge der Landtagswahl konkrete Lösungsvorschläge vorgelegt, darunter zahlreiche Maßnahmen, die im landespolitischen Einflussbereich liegen. Die ersten 100 Tage der neuen Landesregierung sind morgen verstrichen, umso mehr erwarten wir uns eine klare Positionierung zu den Standortthemen und vor allem mehr Tempo sowie Umsetzungsstärke,“ fordert der IV-Steiermark Präsident.  

Auch die im Regierungsprogramm angekündigte Standortpartnerschaft muss mit Inhalten belebt werden. Kurt Maier dazu: „Wir stehen für konstruktive Lösungen und bringen gerne unsere Standortexpertise in einen Prozess zur Stärkung der Steiermark ein. Zeit ist aber ein entscheidender Faktor und wir müssen sofort aktiv werden, ohne lange zu evaluieren.“ 

Entlastung bei Kosten und mehr Effizienz der Behörden
Die steirische Industrie sieht sich erheblichen Herausforderungen gegenüber, die ein entschlossenes Handeln auf EU-, Bundes- und Landesebene erfordern, um den Wirtschaftsstandort nachhaltig zu stärken. Dabei ist es unabdingbar, Lohnnebenkosten gezielt zu senken, den Energiebereich zu entlasten und belastende Abgaben – die zuletzt eingefroren wurden – einzudämmen. Ein Beispiel dafür ist das Stromkosten-Ausgleichsgesetz (SAG), das in die Verlängerung gehen muss, wie es in vielen anderen Ländern längst der Fall ist. Gleichzeitig gilt es, bürokratische Prozesse zu optimieren, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und den Einsatz digitaler Lösungen zu intensivieren, um die Effizienz der Behörden zu steigern, um beispielsweise den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich zu beschleunigen.  

Qualifizierter Zuzug und Unterstützung für Familien für höhere Standortattraktivität
Neben leistbaren Kosten und angemessener Bürokratie ist es auch die Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften, die einen attraktiven Standort auszeichnet. Dem Rückgang an erwerbsfähigen Fachkräften muss mit kurzfristigen, ergebnisorientierten Maßnahmen wie etwa der Bündelung von RWR-Karten-Anträgen in einem steirischen Kompetenzzentrum begegnet werden. Weiters braucht es langfristige Strategien zur Fachkräftegewinnung, die im neuen bereichsübergreifenden Gremium ‚Arbeitsmarktpolitischer Beirat‘ entwickelt und umgesetzt werden sollen. Die verstärkte Unterstützung junger Familien durch den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten und somit die Erhöhung von Beschäftigungsausmaßen sind eine weitere Möglichkeit, Anreize für Investitionen zu schaffen. 

Die Investitionskraft der steirischen Industrie sinkt real, mit potenziell langfristigen Folgen für Wertschöpfung und Standortattraktivität. „Investitionen, die wir heute an ein anderes Land verlieren, schwächen die Steiermark morgen und übermorgen. Verstehen wir diese Analyse als Weckruf und wachen wir endlich auf,“ resümiert Maier.