Das derzeit hohe Maß an geopolitsicher und wirtschaftlicher Unsicherheit spiegelt sich auch in den Ergebnissen der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung Steiermark wider. „Die aktuelle Auftragslage wird mehrheitlich als gut bewertet, unsichere Lieferketten, steigende Preise und die Frage der Verfügbarkeit von Energieträgern lassen jedoch Planungssicherheit und Zuversicht der Betriebe sinken. Die Unternehmen sind gezwungen auf Sicht zu fahren und sich auf unterschiedliche wirtschaftliche Szenarien vorzubereiten. Ungebrochen hoch ist die Bereitschaft der Industrie, qualifiziertes Personal einzustellen“, fasst Gernot Pagger, Geschäftsführer der IV-Steiermark zusammen.
Gute Auftragslage – Material und Personal als Engpass
Die Mehrheit, 58 Prozent der rückmeldenden Unternehmen, schätzt die gegenwärtige Situation gut ein. Gestützt wird diese Aussage von vollen Auftragsbüchern: Der Indikator zur Bewertung der Auftragsbestände liegt mit +76 deutlich über dem Wert des Vorquartals (+53). Ob diese Aufträge auch tatsächlich abgearbeitet werden können, hängt an der Verfügbarkeit von Vormaterialen und Rohstoffen, deren Preise massiv gestiegen und deren Verfügbarkeit deutlich gesunken ist. Insbesondere die Entwicklung der Pandemie in Asien könnte die steirische Industrie in den kommenden Wochen und Monaten vor große Herausforderungen stellen.
Auch der Arbeits- und Fachkräftemangel wird für das Nutzen der guten Auftragslage entscheidender Faktor bleiben. Jedes vierte Unternehmen in der Steiermark ist auf Personalsuche und will diese im zweiten Quartal 2022 auch in Form von Neuanstellungen abbilden. Sinkenden Personalbedarf sieht hingehen nur 1 Prozent der Betriebe. Gefragt nach einer Drei-Monats-Prognose gibt die Mehrheit der Betriebe an, das hohe Niveau der Produktionstätigkeit halten zu können. Dies freilich nur dann, wenn sich die Beschaffungsprobleme nicht weiter verschärfen. Für massive Lieferkettenausfälle oder Energieknappheit bereiten sich die Unternehmen in verschiedenen Szenarien vor – flexible arbeitsmarktpolitische Instrument spielen in mancher dieser Szenarien wesentliche Rollen. Zudem ist die Einführung der Strompreiskompensation mehr denn je Gebot der Stunde.
Vorsichtiger Blick in den Herbst
Schwer kalkulierbar und deutlich verhaltener gestaltet sich der Blick auf den Herbst 2022. Die Indizes zur Bewertung der Geschäftslage und der Ertragssituation sinken unter die Null-Line (-8 bzw. -18). „Der Blick in das zweite Halbjahr ist vor allem von Vorsicht, aber durchaus auch Pessimismus geprägt. Die letztlich unkalkulierbare geopolitische und global-wirtschaftliche Lage verlangen umso mehr planbare und wettbewerbsfähige Standortrahmenbedingungen, ein hohes Bewusstsein für die zentrale wirtschaftliche Rolle des produzierenden Sektors für die österreichische Volkswirtschaft und den Arbeitsmarkt, wie auch eine weitsichtige Strategie in Fragen der kollektivvertraglichen Lohnfindungen“, betont Pagger.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung Steiermark beteiligten sich 53 Unternehmen mit 47.017 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.