Pressemeldungen IV-Steiermark

Antrittsrede von IV-Steiermark Präsident Dr. Kurt Maier

Auszug aus der Antrittsrede von IV-Steiermark Präsident Dr. Kurt Maier im Rahmen des Sommerfestes unserer Industrie am 3. Juli

Es gilt das gesprochene Wort 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 

herzlichen Dank für das Vertrauen im Rahmen der Ordentlichen Vollversammlung! Nach bisher 20 Jahren in der Industrie und in der Industriellenvereinigung ist es für mich eine große Ehre und Freude, mich gemeinsam mit dem neu gewählten Präsidium und dem IV-Steiermark Vorstand für unsere Mitglieder, für den Standort – für unsere lebenswerte Steiermark mit voller Kraft einzusetzen.

 Etwas, dass Stefan Stolitzka und das bisherige Präsidium hervorragend gemacht haben. Lieber Stefan, vielen Dank dafür!  

Unsere Industrie denkt  immer schon neu
Meine sehr geehrten Damen und Herren, 2024 ist ein Jahr der Veränderungen, nicht nur, aber auch aufgrund der zahlreichen Wahlen. Das darf uns nicht verunsichern. Veränderungen, die wir erleben, sind historisch betrachtet die Normalität. Das haben wir bewiesen mit der Bewältigung der Krisen in den letzten Jahren und dem Managen von völlig veränderten und unvorhersehbaren Marktentwicklungen. Viele Menschen sehnen sich nach Stabilität und Zuversicht. Wer, wenn nicht die Industrie, kann Kontinuität und Zuversicht geben?! Kontinuität, weil der Umgang mit Veränderungen für uns in der Industrie Alltag ist. Das haben wir bewiesen mit der Bewältigung der Krisen in den letzten Jahren und dem Managen von völlig veränderten und unvorhersehbaren Marktentwicklungen.

Zuversicht, weil wir in der Industrie nachhaltige und zukunftsfähige Lösungen entwickeln und umsetzen. Das beweisen wir tagtäglich. Durch mutiges Unternehmertum, durch innovative Technologien, durch neue und bessere Produkte.Unsere Industrie ist immer bereit, neu zu denken!

Ich sage aber ganz klar in Richtung Politik: Dafür brauchen wir wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen! Auf europäischer, auf nationaler sowie auf Landesebene.

Damit auch in Zukunft in der Steiermark die Industrie neu denken und gestalten kann - und nicht die Steiermark OHNE Industrie neu denken muss.

Kurswechsel  in Europa
Werfen wir zuerst den Blick auf die europäische Ebene. Die Europäische Union ist eines der größten Erfolgsprojekte des 20. Jahrhunderts. Trotzdem müssen wir feststellen, dass es in der EU einen Kurswechsel braucht. Europa ist wirtschaftlich in den letzten Jahren stark abgefallen. Vor einem Jahrzehnt war die EU noch der größte Wirtschaftsraum der Erde. Heute sind wir kaufkraftbereinigt nach China und den USA mit knapp 15%-Anteil am Welt-BIP nur noch auf Platz drei.

Und was ist die Antwort der Europäischen Union auf diese Entwicklung? Sie lautet CSRD, NIS2, RED II und RED III, EUDR, PPWR und CSDDD um nur einige Beispiele zu nennen. Der Mehrwert all dieser Regularien ist überschaubar, führt aber jedenfalls zu erheblichem administrativen Mehraufwand.  

CSDDD steht übrigens für das sogenannte Lieferkettengesetz, das heuer beschlossen wurde. In dem Zusammenhang ist mir wichtig festzuhalten: Wir nehmen unsere Sorgfaltspflichten und Verantwortung entlang der Lieferketten als Industrie selbstverständlich ernst und wahr.

Es kann aber nicht sein, dass europäische Unternehmen die Aufgaben übernehmen müssen, an denen Politik und internationale Organisationen seit Jahren scheitern und die woanders erledigt gehören.

Die Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette geht weit über den direkten Einflussbereich von Unternehmen hinaus und lässt ich auch nicht durch ausufernde Dokumentationspflichten sicherstellen. Gut gemeint ist halt nicht immer gut gemacht!  

Umso mehr brauchen wir eine europäische Kursänderung – die neue Legislaturperiode bietet die Chance dafür: Wir müssen als Europa vom Regulator zum Innovator werden, wenn wir in Zukunft global noch eine Rolle spielen wollen. 

Österreich fällt zurück
Die europäischen Vorgaben sind aber nur eine Seite der Medaille. Die zweite ist die nationale Umsetzung, die in Österreich oft strenger erfolgt als notwendig. Diese Übererfüllung von EU-Regelungen, das sogenannte Gold Plating, belastet die Österreichische Wirtschaft mit rund 500 Mio. Euro jährlich. Leider erschweren solche Rahmenbedingungen ein international erfolgreiches Wirtschaften immer mehr. Das zeigen nicht nur diverse Rankings in denen wir zurückfallen, sondern wir erleben es tagtäglich in unseren Betrieben. Mehr bürokratische Auflagen, hinzu kommen steigende Energie- und Lohnkosten – ein immer schwerer werdendes Belastungspaket, das unsere Produktivität und damit unsere Wettbewerbsfähigkeit vermindert. Diese Themen sind nicht neu. Aber sie erreichen mittlerweile ein Ausmaß, welches zu einem starken Rückgang von Investitionen und damit zu Wohlstandsverlusten in Österreich führen wird – wenn wir nicht bald – nein, wenn wir nicht JETZT die Kehrtwende einleiten.  

Wir sollten uns mit dem Markt beschäftigen können und nicht mit unnötiger Bürokratie beschäftigen müssen.

Lohnkosten
Ein österreichisches Alleinstellungsmerkmal machen mittlerweile die explodierenden Kosten am Standort aus. Die Lohnstückkosten sind in Österreich bereits in den letzten Jahren um 30% gestiegen. Und da sind die letzten KV-Abschlüsse noch gar nicht enthalten.

Diese Erhöhungen der letzten Abschlüsse mögen für manche „kurzfristig“ ein Erfolg gewesen sein, aber mittel- und langfristig? Wir müssen aufpassen: Mit dieser Entwicklung preisen wir uns aus dem Weltmarkt heraus!

Daran kann niemand in Österreich ein Interesse haben. Es müssen alle die Brille mit dem rein lokalen Blick ablegen, um der Realität als exportorientiertes Land ins Auge sehen. Daher werden wir diese schwierige Situation nur gemeinsam und mit neuen Denkansätzen lösen können. Mit einer Formel aus den 1970er kommen wir nicht mehr weiter. Wir müssen die traditionellen Verhandlungsmuster aufbrechen und neue Wege gehen. 

Arbeit
Wir haben in Österreich nicht nur ein Problem mit den uns davon galoppierenden Lohnkosten, sondern auch mit der Haltung zur Arbeit. Mit 37,6 Stunden tatsächlich geleisteter Wochenarbeitszeit liegen wir in Österreich unter dem EU-Schnitt. Zusätzlich zeigen die jüngsten Zahlen der Statistik Austria, dass der Teilzeit-Boom weiter anhält und sich der Anteil bei Frauen und Männern erhöht – auch bei Personen ohne Betreuungspflichten. Es heißt ja eigentlich „Work-Life-Balance“, aber in Wirklichkeit haben wir mittlerweile eine Imbalance zu Lasten der Erwerbsarbeit. Trotzdem kommt von einer Seite immer wieder der Vorschlag, dass die Arbeitszeit weiter verkürzt werden muss und das noch bei vollem Lohnausgleich. 

Es steht natürlich jedem frei für sich selbst zu entscheiden, wieviel Zeit man mit Arbeit verbringt.  Wenn allerdings immer mehr Leute aufgrund von Teilzeit weniger in unser Steuer- und Sozialsystem einzahlen, aber die vollen staatlichen Leistungen und die öffentliche Infrastruktur in Anspruch nehmen wollen, wird sich das auf Dauer nicht ausgehen. Und es ist auch nicht gerecht! Wir benötigen in Österreich eine grundsätzliche Debatte über Arbeit als wichtigen, sinnstiftenden Teil des Lebens. Und ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass unser Wohlstand nur durch mehr Arbeit und Leistung aufrechterhalten werden kann. Das bedingt auch, dass sich mehr Leistung finanziell auswirken muss. Wenn vor allem junge Menschen das Gefühl haben, dass sie sich trotz harter Arbeit nichts mehr aufbauen können, dann darf man das nicht einfach so hinnehmen. Vielmehr muss Vollzeit und Mehrarbeit von Steuern und Abgaben mehr entlastet und dadurch wieder attraktiver werden. 

Wer mehr leistet, muss auch mehr davon haben!

Energie
Ein weiterer Bereich, in dem Österreichs Unternehmen höhere Kosten zu schultern haben, ist die Energieversorgung.  Auch wenn sich die Energiekosten nach der Krise in 2022 wieder weitgehend normalisiert haben, sind sie in Österreich im europäischen und vor allem im globalen Vergleich noch immer höher und weit weg von Planbarkeit. Eine sichere und leistbare Versorgung ist – insbesondere bei einem Stopp des Transits von russischem Gas durch die Ukraine – weiterhin noch nicht garantiert. Sind gefüllte Gasspeicher kurzfristig die einzige Antwort? Auch wenn man das kaum mehr sagen darf, aber wir werden Gas noch länger als effiziente Brückentechnologie einsetzen müssen, bis wir das mit neuen Energieformen kompensieren können.

Man muss in der Diskussion auch unterscheiden zwischen der Abhängigkeit von Gas und der Abhängigkeit von einem Gaslieferanten. 

Wir bekennen uns als Industrie zur grünen Transformation der Energieversorgung. Die Industrie ist Teil der Lösung, schon lange vor dem Green Deal. Das zeigen zahlreiche Beispiele auch bei uns in der Steiermark. Aber was brauchen wir um diese Transformation weiterhin umsetzten zu können? Einerseits planbare Rahmenbedingungen: Es ist zum Beispiel vollkommen unverständlich, dass noch immer keine Strompreiskompensation über 2022 hinaus beschlossen wurde. Während etliche europäische Länder, darunter Deutschland, das bereits bis 2030 getan haben. Dabei handelt es sich nicht um Subventionen für die Industrie, sondern um von uns über den Strompreis doppelt eingezahlte Mittel für die ETS-Zertifikate. Die Erlöse aus dem Emissionshandelssystem werden in anderen Ländern zweckgewidmet verwendet, um Investitionen in die Energietransformation zu unterstützen. In Österreich versickern diese im öffentlichen Haushalt. Es sollte allen politischen Vertretern bewusst sein, dass diese Zusage für das Fortbestehen oder die Schließung heimischer energieintensiver Produktion entscheidend ist.

Fertigung in Österreich wird es auch in Zukunft NUR durch eine leistbare und sichere Energieversorgung geben.  

Der zweite wesentliche Eckpfeiler für die grüne Transformation der Energieversorgung ist die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Es ist nun an Politik und Verwaltung zu zeigen, ob wir es wirklich ernst meinen mit der grünen Transformation der Energieversorgung für die Zukunft.  

Wir müssen mit den Genehmigungsverfahren einfach schneller werden. Dazu werden mehr Personal und Digitalisierung notwendig sein. Wenn Verfahren so lange dauern, dass zum Genehmigungszeitpunkt die eingereichten Turbinen für Windkraftwerke nicht mehr hergestellt werden, dann stimmt doch etwas nicht. Jede Branche in der Industrie hat klare Ziele und Maßnahmen definiert.  

Trotzdem muss uns bewusst sein, dass die politisch angestrebten Ziele – Einsparung der Hälfte der CO2-Emissionen bis 2030 und Klimaneutralität bis 2040 – rational gesehen nicht zu erreichen sind.  Es braucht einen realistischen Blick auf die in Zukunft notwendigen Bedarfe, wie diese sicher gedeckt werden können und welche Infrastrukturen dafür nötig sind. Als IV-Steiermark haben wir mit unserem Masterplan grüne Energie sehr konkrete Schritte für die Nutzung der verschiedenen Möglichkeiten für den Ausbau grüner Energie und Netze vorgelegt. Einen solchen Masterplan braucht es nun für ganz Österreich.

Steiermark an die Spitze 
Wieso sind die bisher genannten Themen für die Steiermark besonders relevant? Weil wir ein Bundesland mit einer traditionell energieintensiven und exportorientierten Industrie sind. Der produzierende Sektor prägt unser Bundesland wie keine andere Branche und trägt 35 % der regionalen Wertschöpfung bei und sichert direkt und indirekt jeden 2. steirischen Arbeitsplatz. Damit das auch in Zukunft so bleibt, werden wir als IV-Steiermark im Vorfeld der Landtagswahl eine Agenda Industriestandort 2030 vorlegen. Wir haben in der Steiermark Stärkefelder, die wir weiter ausbauen können, wie zum Beispiel unsere hohe Forschungsquote von 5,17% und die gute Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Industrie. Ein Dank dafür an alle Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft und auch der in der Steiermark sehr förderlichen Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik. 

Wir haben aber auch standortrelevante Bereiche, wie die infrastrukturelle Anbindung oder die ausreichende Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften bzw. die Bereitschaft noch im vollkontinuierlichem Schichtbetrieb zu arbeiten - bei diesen Problemstellungen haben wir noch viel Luft nach oben. 

Dazu und zu weiteren Themenbereichen werden sich in der Agenda Industriestandort 2030 zahlreiche Lösungsideen finden. Sowohl Maßnahmen, bei denen wir gemeinsam in Richtung Bund und EU wirken müssen, als auch welche, bei denen wir die Umsetzung in der Steiermark selbst in der Hand haben. 

Dafür brauchen wir die Bereitschaft der Politik. Ich möchte positiv hervorheben, dass es in der Steiermark von Seiten der politischen Verantwortungsträgerinnen und -träger ein Bewusstsein über die Bedeutung der Industrie gibt und die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert. Das konnte ich in meiner langjährigen Tätigkeit im IV-Steiermark Vorstand deutlich spüren und ich bin davon überzeugt, dass das auch in der Zukunft so sein wird.  

Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass die Steiermark durch wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen als Standort Weltspitze ist, damit sie weiterhin eine der lebenswertesten Regionen bleibt.  

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt mehr als genug zu tun.
Ein wettbewerbsfähiger Standort ist kein Selbstzweck, sondern ist die Voraussetzung, dass wir als Industrie weiterhin in unserer Heimat produzieren, erfolgreich in die ganze Welt exportieren und dadurch zahlreiche hochwertige Jobs für die Menschen in der Steiermark sichern können. Nur auf diesem Wege werden wir unseren hohen Lebensstandard und Wohlstand aufrechterhalten. 

Wettbewerbsfähigkeit ist daher unser aller gemeinsame Aufgabe und Verantwortung – von Politik, Sozialpartnern, Gesellschaft und Unternehmen – wir leisten als Industrie unseren Beitrag dafür und ich lade Sie alle ein, dass wir es gemeinsam tun! 

Vielen Dank!