Die Stimmungslage in der österreichischen Industrie ist weiterhin von Tristesse geprägt. Nur scheinbar hat sich die konjunkturelle Situation etwas aufgehellt. Die jüngste Aufwärtsrevision der gesamtwirtschaftlichen Prognosen um drei Zehntelprozentpunkte findet ihre Ursache zur Gänze in einer Datenrevision und ist somit rein statistisch bedingt, während sich im Vergleich zum Vorquartal materiell wenig verändert hat. Das Gros der Unternehmen in der heimischen Industrie kämpft weiterhin mit einer hartnäckigen Rezession. „Die Stimmung in der Industrie bleibt weiter angespannt und das liegt nicht nur an den internationalen Märkten, sondern auch an strukturellen und budgetären Problemen in Österreich“, fasst Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) zusammen.
Dabei gehen vom geopolitischen Umfeld kaum positive Impulse aus. Abgesehen von Fortschritten bei den Verhandlungen zu weiteren Handelsabkommen schwebt vor allem die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika zum zukünftigen Handelsregime einem Damokles-Schwert gleich über der Stabilisierung der Industrieproduktion auf niedrigem Niveau. Trotz der ohnedies unter einem hohen Druck stehenden preislichen Wettbewerbsfähigkeit werden die europäischen Warenexporte in den Dollarraum noch zusätzlich belastet, indem der Euro gegenüber der US-Währung um rund 7% binnen eines Jahres aufgewertet hat. Diese bilaterale Wechselkursdynamik steht im Widerspruch zu der zollbedingt modellbasiert zu erwartenden Aufwertung des US-Dollars. Dies legt die Interpretation nahe, dass die inzwischen aufgetretenen Reputationsschäden, die handelsbedingt zu erwartende Wechselkursdynamik überkompensieren. Angesichts der aktuellen Volatilitäten gilt: „In einer Welt voller Unsicherheiten wird die Notwendigkeit größer unsere eigenen Hausaufgaben zu machen – das gilt vor allem für die Arbeitskosten, Energiekosten und die Notwendigkeit der Entbürokratisierung. Globale Unsicherheiten können wir nicht kontrollieren, unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit schon“, betont Neumayer.
Im Ergebnis fällt das IV-Konjunkturbarometer in einem marginalen Ausmaß wieder von +1,8 Punkten auf +1,0 Punkte zurück, hält sich aber gerade noch oberhalb der Nulllinie. Dieser minimale Rücksetzer ist auf die Komponente der aktuellen Lageeinschätzung in der Industrie zurückzuführen, deren Saldo sich geringfügig von -4 Punkten auf -6 Punkte zurückbildet. Hingegen verbessert sich der Saldo bei den Geschäftserwartungen auf Sicht von sechs Monaten lediglich um einen mageren Punkt von +7 auf +8 Punkte und vermag die beeinträchtigte Lageeinschätzung nicht wettzumachen.
Wenngleich die Prognose oberer und unterer Wendepunkte durch die Wirtschaftsforschung als besonders schwierig apostrophiert wird, verdichten sich die Anzeichen, dass der zum letzten Termin bereits avisierte untere Wendepunkt der Industriekonjunktur in Österreich nunmehr erreicht ist. Diese Einschätzung folgt aus einem für Wendezeiten typischen Verlaufsmuster im Antwortverhalten: Während der Anteil der Optimisten unter den Respondenten – also jener Unternehmen, die einen besseren Geschäftsverlauf im nächsten Halbjahr erwarten – wenig verändert ausfällt, hat der Anteil der Pessimisten – also jener Unternehmen, die einen (noch) schlechteren Verlauf erwarten – weiter abgenommen. „Gegenüber dem Jahreswechsel ist ein Rückgang des Anteils der Pessimisten um 47% zu verzeichnen – ein ceteris paribus bis dato untrügliches Anzeichen für eine bevorstehende Trendumkehr“, so IV-Chefökonom Christian Helmenstein und meint weiter: „Allerdings bleibt die Lage einstweilen äußerst fragil, die konjunkturellen Risiken sind nach wie vor abwärtsgerichtet.“
Die Ergebnisse im Detail
Mit einem Saldo von +4 Punkten dreht der Indikator der Gesamtauftragsbestände in der Industrie erstmals seit sechs Quartalen wieder leicht ins Plus. Dementsprechend ist der Verlust an Auftragsreichweite nach langer Durststrecke zum Stillstand gekommen, was für die Sicherung des Fortbestandes der inländischen Produktionsstätten von kaum zu überschätzender Bedeutung ist.
Bei der Subkomponente der Auslandsaufträge zeigt sich ebenfalls eine Aufwärtsbewegung, die vor dem Hintergrund der Aufwertung der europäischen Gemeinschaftswährung auf +8 Punkte sogar überproportional deutlich ausfällt. Dennoch bleibt die Situation enorm herausfordernd. Die österreichische Industrie verliert international weiterhin Marktanteile und tut sich schwer, am globalen Realwachstum – das 2025 gemäß IWF bei knapp 3%, exakt 2,8%, liegen soll – in nennenswertem Ausmaß zu partizipieren. Hierzu bedarf es einer durchgreifenden Verbesserung der inländischen Produktionsbedingungen, insbesondere bei den Faktorkosten für Arbeit und Energie sowie hinsichtlich des Abbaus der bürokratischen Belastung.
Angesichts des weiterhin angespannten Konjunkturbildes einerseits und der sich stabilisierenden Auftragslage andererseits erreichen die kurzfristigen Produktionserwartungen in der Industrie nach neun Quartalen noch nicht vollauf, aber zumindest nahezu die neutrale Zone. Der saisonbereinigte Saldo liegt nun bei -2 Punkten – nach zuvor -4 Punkten. Das bedeutet: Die Industrieproduktion stagniert auf niedrigem Niveau. Eine Trendwende in Richtung Produktionsausweitung ist noch nicht in Sicht – doch die Expansionsschwelle kommt in Reichweite. Kontraproduktive handelspolitische Vorgänge ausblendend wird dieser Turnaround voraussichtlich von einer anziehenden Nachfrage im inländischen Wohnbau sowie zusätzlich einer höheren Nachfrage durch Infrastrukturinvestitionen in Deutschland ausgelöst werden.
Die kurzfristig weiterhin gedämpften Produktionserwartungen schlagen erheblich auf die Beschäftigungsaussichten in der Industrie durch. Der Beschäftigungssaldo verzeichnet einen markanten Rücksetzer von -13 Punkten auf -20 Punkte. Damit werden frühere Tiefstände des Indikators zwar nicht mehr erreicht, aber der Stellenabbau in der Industrie beschleunigt sich wieder. Besonders beunruhigend ist der Befund, dass zwar die Einstellungsneigung bei einem Teil der Unternehmen von jedem elftem auf jedes siebte zunimmt, zugleich aber jedes dritte Unternehmen angibt, Beschäftigung abbauen zu müssen. Daher plant lediglich die Hälfte der Unternehmen keine Veränderung ihrer Beschäftigtenzahl, während die andere Hälfte überwiegend einen Beschäftigungsabbau und zum kleineren Teil einen Beschäftigungsaufbau vorsieht.
Trotz des im Durchschnitt weiterhin hohen Kostendrucks sehen 91% der Unternehmen keine Möglichkeit, ihre Verkaufspreise zu erhöhen. Verschärft wird die Situation durch handelsumlenkende Effekte der Zollspannungen zwischen den USA und China, in deren Gefolge Waren aus China verstärkt auf den europäischen Markt drängen. Der Saldo der Verkaufspreise sinkt dementsprechend von +8 Punkten auf -2 Punkte.
Die Vielzahl an konjunkturellen und strukturellen Belastungen schlägt sich nach wie vor in der aktuellen Ertragslage der Unternehmen nieder. Der Saldo verharrt mit -19 Punkten (nach zuvor -23) in tiefrotem Terrain. Die Ertragserwartungen auf Sicht von sechs Monaten verzeichnen hingegen die zweite aufeinander folgende Saldendrehung. Nach einem erstmals seit 13 Quartalen im Vorquartal erfolgten Sprung ins Positive fällt der Saldo nunmehr wieder unter die Nulllinie auf -5 Punkte zurück. Die Saldenumkehr ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass sich der Anteil der Unternehmen, die eine (noch weitere) Verschlechterung ihrer Ertragslage erwarten, gegenüber dem Vorquartal erheblich von 10% auf 18% ausweitet.
Ohne eine Trendwende zum Besseren bei den heimischen Standortbedingungen ist nicht mit einer Aufhellung der Ertragserwartungen zu rechnen. Damit fehlt es weiterhin an einer notwendigen Voraussetzung für eine breite, investitionsgetragene Erholung der österreichischen Industrie.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 421 Unternehmen mit rund 282.800 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.