IV-Steiermark-News

Neujahrsempfang: Es ist Zeit, unsere Industrie zu sichern. Unseren Standort zu sichern.

Auszug aus der Rede von Stefan Stolitzka anlässlich des Neujahrsempfangs

Meine Damen und Herren.

In Krisen-Zeiten wird sichtbar, wie wichtig eine funktionierende und wettbewerbsfähige Industrie für Österreich ist. Und genau das ist unsere Aufgabe: Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie sicherzustellen. Die Herausforderungen sind so groß wie eigentlich noch nie in der 75jährigen Geschichte der Industriellenvereinigung. Das Jahr 2022 war geprägt von drohenden Energieengpässen, Lieferkettenproblemen, existenzbedrohenden Kostensteigerungen und enormen Unterschieden in den internationalen Rahmenbedingungen, was den Standort betrifft. Leider nicht zu unserem Vorteil und leider sogar nicht innerhalb der europäischen Union.

Es ist die Herausforderung und unsere Mitverantwortung, den Standort, die Planungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren. Und damit das Gleichgewicht und die Sicherheit unserer Gesellschaft. Dazu gehört essenziell und sichtbar wie nie zuvor die zuverlässig garantierte Versorgung mit ausreichend Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen. Die Hauptverantwortung dafür liegt bei der Politik. Die Wahrnehmung dieser Verantwortung war zu Beginn der Energiekrise über Monate hinweg nicht erkennbar – ich gehe davon aus, dass sich das nun ändert. Unser aller gemeinsames Ziel muss sein: Das Beste aus der gegenwärtigen Situation zu machen und sie für eine Transformation zum Besseren zu nutzen.

Was uns wirklich weiterhilft, sind realistische, konstruktive Szenarien und vor allem konkrete, ideologiefreie Lösungen. Und das tägliche konsequente harte Arbeiten an diesen Lösungen.

Die Pandemie setzt uns gesamtgesellschaftlich weniger zu als vor einem Jahr. Wir scheinen aus dem Gröbsten heraus zu sein. Zumindest was die unmittelbare gesundheitliche Situation in Europa betrifft. Ich hoffe für uns alle inständig, dass das stimmt. Die Lage in China bleibt noch unberechenbar. Was das für Europas Industrie bedeuten könnte, bleibt leider abzuwarten. Oft genug hatten wir in den letzten 1½ Jahren volle Auftragsbücher, aber: Die Lieferkettensituation hat uns schwer zu schaffen gemacht. Wir müssen uns unbedingt breiter aufstellen. Wir dürfen dabei weder die Globalisierung absagen, noch dürfen wir naiv sein. Was jedenfalls ein weiteres Argument für den Abschluss von Freihandelsabkommen, etwa mit den MERCOSUR-Staaten, den USA, mit Kanada oder Australien ist.                                                                                          Darüber hinaus brauchen wir aber ganz besonders eine starke regionale und europäische Industrie: Der Standort Europa muss ohne Wenn und Aber gestärkt werden.

Es wird sich zeigen, ob wir mit so einer Stärkung rechnen dürfen. Nicht zuletzt daran, ob ein European Chips Act kommt, in dem auch Österreich eine entsprechende Rolle spielen kann. Und, ob dieser in Volumen und Schnelligkeit im Vergleich mit den USA und China ernst zu nehmen ist.

Der zweite Punkt, der uns alle in Atem hält und halten wird, ist natürlich die Klimakrise. Wir von der Industrie haben da einen ganz klaren Wunsch: Die Transformation muss zielorientierter geführt werden. Und damit technologieoffen und nach realistischen Kriterien.

Wir brauchen Weitsicht und Verantwortungsbewusstsein. Und Offenheit und Verständnis für Technologien und ihre Potenziale.

Nicht nur, aber gerade auf europäischer Ebene bekomme ich immer öfter den Eindruck, dass die Politik das Problem noch nicht verstanden hat, aber dennoch glaubt, schon Lösungen präsentieren zu können.

Und außerdem: wenn wir als Europa ein Vorbild für die Transformation des Energiesektors, Mobilität und Industrie sein wollen, sollte uns klar sein:

Klimaschutz und Wohlstandssicherung können nur gemeinsam funktionieren. Sie bedingen einander.

Wir werden beide Aspekte bewältigen - und zwar mit Technologie und Fortschritt. Davon bin ich zutiefst überzeugt, das ist eine innere Gewissheit.

Und auch davon bin ich überzeugt: Wir können das hier in Europa machen.

Wir können das als Industrie, gemeinsam mit der Wissenschaft machen.

Und die Steiermark, ihre Hochschulen, ihre Forschungseinrichtungen, ihre, unsere Betriebe und ihre Menschen, werden dabei eine zentrale Rolle spielen.

Unsere Industrie in der Steiermark leistet seit gut 20 Jahren einen außergewöhnlichen Beitrag. Sie wissen alle, dass sie im weltweiten Vergleich mit dem geringsten CO2 Ausstoß produziert, mit seinen Technologien und Produkten weltweit zu einer jährlichen Einsparung von 750 Mio. Tonnen CO2 beiträgt. Aber wer weiß schon, dass der Produktionsindex Österreichs von 2008 bis 2021 um knapp 30 Prozent gestiegen ist? Der Ausstoß von Treibhausgasen ist hingegen im gleichen Zeitraum von 26,4 Mio. Tonnen um rund 2 Mio. Tonnen gesunken. Es ist also die Entkoppelung von Produktion und Emission erfolgreich gelungen. Warum lässt das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie diese Zahlen konsequent außen vor?

Das bringt uns zum dritten Punkt: Energieversorgungs-Sicherheit und Energiepreise. Und hier muss ich leider sagen: Dieser Teil hat sich wesentlich schlimmer entwickelt als befürchtet. Ja, es ist leider keine Übertreibung zu sagen: Dieser Teil, der gerade für die Steiermark von so großer Bedeutung ist, ist also komplett aus den Fugen geraten.

Bei den Preisen für Energie haben wir in Österreich gemeinsam mit Ungarn und Rumänien die schlechteste Lage in Europa. Wir zahlten im letzten Jahr bis zu 100 Euro mehr pro MWh Strom als in Deutschland. Das ist ein Drittel.

Was das bewirkt, darauf haben wir oft hingewiesen: Einen Prozess der Schrumpfung unserer Industrie: Den Beginn einer schleichenden De-Industrialisierung.

Und das ist ein Prozess, der – wenn überhaupt – nur sehr, sehr schwer umzukehren wäre. So wurden bereits Produktionen für mehrere Wochen heruntergefahren. Es gingen 20 bis 30 Prozent der Aufträge verloren, weil wir wegen der Energiepreise schlicht nicht mehr konkurrenzfähig sind. Gegenüber unseren Konkurrenten, außerhalb Europas sowieso, aber eben auch gegenüber Mitbewerbern aus anderen EU-Mitgliedsstaaten. Durch die Ankündigung der deutschen Strom- und Gaspreisbremse ist die Situation noch dramatischer geworden. Innerhalb der Europäischen Union ist ein Wettlauf um nationalstaatliche Lösungen entstanden. Europäische Einheit und Planbarkeit sehen anders aus. Als überzeugtem Europäer fällt es mir ehrlich gesagt schwer, dafür die richtigen Worte zu finden. Immerhin: Wir haben jetzt ein Modell der Gaspreisbremse in der EU und auch der Einkauf von Gas soll gemeinsam erfolgen. Wir werden sehr genau beobachten, wie diese – teilweise recht eigenwilligen – Instrumentarien in der Praxis wirken.

Der Druck auf den Standort Europa ist enorm – betrachten wir die Situation im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, Indien und Asien, wo die Preise um ein Vielfaches niedriger sind. Gelingt es uns nicht, den Kostennachteil in Europa und ganz besonders in Österreich abzuwenden, könnte es in Österreichs Industrie sehr bald deutlich weniger Investitionen geben. 

Wir müssen ein Bewusstsein für die große Gefahr schaffen, in der Österreichs Industrie schwebt. Und damit die Österreichische Gesellschaftsordnung.

Die Industriellenvereinigung hat sich dafür eingesetzt, dass es im Jahr 2023 für österreichische Betriebe zumindest dieselbe Planungssicherheit gibt

wie für Partner und Konkurrenten in Deutschland. Von der Bundesregierung wurde vor Weihnachten ein „Energiekostenzuschuss 2“ angekündigt. Damit wurde das unmittelbar schlimmste Szenario abgewandt. Was wir aber brauchen, ist wenig Bürokratie und viel Planungssicherheit. Jetzt. Denn es ist dennoch schon fünf nach zwölf. Bitte verzichten wir hier also auf unnötige Zusatzklauseln – es ist nicht die Zeit für Ideologie. Es ist Zeit, unsere Industrie zu sichern, ja auszubauen. Unseren Standort zu sichern. Es ist Zeit, Planungssicherheit herzustellen.

Und wenn wir, wie wir hoffen, mit diesem Paket die Konkurrenzfähigkeit

und die Planbarkeit für unseren Standort wieder einigermaßen sichergestellt haben und das Vertrauen der Investoren zurückkehrt, ist da noch eine essenzielle Herausforderung zu erwähnen, die uns seit Jahren zusetzt: das massive Problem des Fachkräftemangels.

Dabei dürfen wir uns nichts vormachen: Es gibt dafür nicht die eine Lösung. Es braucht eine Fülle von Ansätzen, die bei verschiedenen Zielgruppen Wirkung zeigen müssen.

Ja es geht um Immigration und Integration, es geht um die Bekanntheit und Sichtbarkeit der Steiermark für internationale Spitzenkräfte, es geht um das internationale Bildungsangebot vor Ort oder ganz allgemein um eineoptimale Berufsorientierung für junge Menschen – wie wir das gemeinsam mit unseren Partnern in der innoregio mit dem Projekt  „Science Garden“ vorantreiben.

Es geht vor allem aber auch darum, ein flächendeckendes Angebot an Ganztagskinderbetreuung anzubieten, um Frauen mehr Chancen in der Berufswelt zu geben. Darin liegt ein mächtiger Hebel, der sofort wirken kann. Das Potenzial ist enorm.

Wir als IV-Steiermark tun alles, damit wir die Zukunft mit gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestalten können. Und wir tun alles dafür, damit Planbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit wieder einkehren. Damit die Steiermark der großartige Standort bleiben kann, der sie prinzipiell ist.