IV-Steiermark-News

Die Koralmbahn und ihre regionalökonomische Wirkung

Ein neuer, international sichtbarer Ballungsraum entsteht 

Auf Basis einer breit angelegten und umfassenden Standortstudie, die seitens eines wissenschaftlichen Konsortiums – bestehend aus dem Joanneum Research und dem Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung – über die vergangenen zwei Jahre durchgeführt worden ist, liegen nunmehr aktuelle Zahlen, Daten und Fakten zu einem Wirtschaftsraum vor, der als solches bisher nicht auf dem wirtschaftspolitischen Radar war: der „Wirtschaftsraum Südösterreich“. 

Der vorliegende Teil II dieses großen Südösterreich-Standortstudienprojektes rückt die vom Koralmbahnprojekt unmittelbar betroffenen Bezirke Deutschlandsberg und Wolfsberg in den Mittelpunkt des Geschehens und zeigt erstmals die kleinräumigen regionalökonomischen Auswirkungen eines großen, regionsübergreifenden Infrastrukturvorhabens auf. Die Auswirkungen, die sich aus den veränderten Erreichbarkeiten ergeben werden, sind erheblich und kaum zu unterschätzen: Es wird eine neue urbane Agglomeration eine neue Metropolregion entstehen – mit internationaler Sichtbarkeit und Strahlkraft. Kärnten und die Steiermark wachsen zusammen. Daraus ergeben sich enorme Chancen, die es aktiv zu nutzen gilt.   

Darüber hinaus ist die Koralmbahn auch Teil der neuen Südstrecke und verbindet Österreichs Norden und Süden auf moderne und nachhaltige Weise. Die Südstrecke wiederum gehört als Teil des Baltisch-Adriatischen Korridors zu den bedeutendsten Infrastrukturprojekten Euro-pas. Er verbindet die wichtigsten Seehäfen mit den aufstrebenden Industrieräumen in Mittel-europa und gilt als eine der Hauptschlagadern unserer Wirtschaft. 

Studie im Detail:
Eine neue urbane Agglomeration Graz – Klagenfurt entsteht
Durch die Koralmbahn entsteht eine Agglomeration. Das „Kerngebiet“ – die (künftige) urbane Agglomeration Graz-Klagenfurt – umfasst jene Gemeinden, die im Schnitt in 40 Minuten einen der Bahnhöfe entlang der Strecke erreichen können. Das (erweiterte) Einzugsgebiet zieht sich von der südlichen Obersteiermark bis hin nach Villach. Die erweiterte urbane Agglomeration Graz-Klagenfurt wird insgesamt rund 1,1 Millionen Einwohner und eine halbe Million unselbstständig Beschäftigte zählen, wobei über 130.000 im produzierenden Bereich tätig sind.

 Die Peripherie rückt ins Zentrum mit zwei industriell-gewerbliche Bezirken im Kern
Die Bezirke Wolfsberg und Deutschlandsberg werden ab 2026 im Zentrum dieser neuen urbanen Agglomeration liegen und im Tagespendlerbereich von Klagenfurt und Graz liegen. Sowohl der Bezirk Deutschlandsberg als auch der Bezirk Wolfsberg haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine enorm positive Entwicklung genommen. Beide Bezirke sind industriell-gewerblich geprägt und konnten den in weiten Teilen Europas zu beobachtenden De-Industrialisierungstendenzen nicht nur trotzen, sondern entgegenwirken.

 Zentrum-Peripherie-Gegensatz wird verkleinert
Aufgrund der komplementären Struktur der beiden Bezirke wird durch die Koralmbahn eine WIN-WIN-Situation geschaffen, die auch die weiteren involvierten Bezirke erfassen wird. Eine bessere Anbindung von peripheren Regionen an urbane Agglomerationen wirkt generell doppelt: (1) Die Peripherie wird an die städtische Infrastruktur angeschlossen (Zugang zu Arbeitsplätzen, einem städtischen Ökosystem etc.) und (2) der Agglomerationsdruck kann abgeschwächt werden (das Einzugsgebiet dehnt sich aus – neuer (leistbarer) Raum wird erschlossen).

Arbeitsmarkt wird dynamisiert
Für Beschäftigte dehnt sich durch die neue Südbahn der Suchradius aus. Für sie wird es möglich, neue Arbeitsplätze in derzeit nicht in Tagespendlerdistanz liegenden Regionen anzunehmen. Die Möglichkeiten, eine adäquate Beschäftigung anzunehmen, steigen signifikant und dies in beiden Bundesländern. Die Pendlerströme zwischen den einzelnen Regionen entlang der Koralmbahn werden sich signifikant erhöhen, wobei die Effekte bei Reisezeiten bis zu 40–50 Minuten am höchsten sein werden. Der geschätzte mittlere Anstieg der Pendelverflechtungen beträgt knapp 35 %.

Infrastruktur gegen die Abwanderung: demographischer Trend wird gebrochen
Durch das Koralmbahnprojekt ergibt sich die große Chance den negativen demographischen Trend in der Region Südösterreich zu brechen. Eine quantitative Modell-Schätzung der direkten und indirekten Effekte, die sich mit der Eröffnung der Koralmbahn für die urbane Agglomeration Graz-Klagenfurt, vor allem aber für die jeweiligen Regionen, die steirischen und Kärntner Gemeinden, ergeben, zeigen einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen dem Infrastrukturausbau und der Bevölkerungsentwicklung. Das Vorhandensein eines Bahnhofs geht mit einem um 2,86 %-Punkte höheren Bevölkerungswachstum einher. Der Zugang zu einem Bahnhof erhöht das erwartete Bevölkerungswachstum um knapp 2 %.

 Eine international sichtbare Region: der zweitgrößte Ballungsraum Österreich
Mit dem neuen Ballungsraum Graz- Klagenfurt entsteht der zweitgrößte Ballungsraum in Österreich neben Wien und ein bedeutender Ballungsraum selbst im internationalen Maßstab. Im deutschen Raum zählen nur Berlin, Wien, München, Hamburg und Köln mehr als 1. Mio. Einwohner. Auf Basis einer gemeinsamen Vermarktungsstrategie sollte die neue Agglomeration auch über die Grenzen Österreichs hinaus eine wirtschaftliche Strahlkraft entwickeln.

STATEMENTS

 Peter Kaiser, Landeshauptmann Kärnten: „Als Verantwortungsträger haben wir in Kärnten und der Steiermark das enorme Zukunftspotential für unsere beiden Bundesländer erkannt, das in gemeinsamen Kooperationen und in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum Süd liegt – Kärnten und die Steiermark: der Stern des Südens! Mit Kooperationen wie beispielsweise mit dem Joanneum Research, den Silicon Austria Labs, dem Digital Innovation Hub Süd, dem Green Tech Cluster, dem Silicon Alps Cluster sind wir bereits dabei, diese Potentiale zu heben. Die Koralmbahn wird als Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor zu einem Kooperations- und Innovationsbeschleuniger. Indem wir unsere Stärken weiter bündeln und koordinieren, haben wir die Chance, gemeinsam im europäischen und internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein, sichtbar und attraktiv sowohl für Unternehmen als auch für dringend benötigte Arbeitskräfte zu werden.“

 Christopher Drexler, Landeshauptmann Steiermark: „Mit der Koralmbahn ist ein Jahrhundertprojekt auf der Zielgeraden. Sie wird eine der wichtigsten Verkehrsachsen nicht nur für die Steiermark und Kärnten sondern für ganz Österreich sein. Es freut mich ganz besonders, dass diese neue Studie so viele positiven Effekte insbesondere für die Regionen im steirisch-kärntnerischen Grenzgebiet aufzeigt. Sie kann und soll für uns auch Grundlage und Wegweiser für die Regionalentwicklung sein, damit wir die vielen Potenziale so gut wie möglich heben können. Wir setzen einen weiteren Schritt in der traditionell guten Zusammenarbeit zwischen der Steiermark und Kärnten. Unsere steirisch-kärntnerische Achse wird noch stärker – das schafft Wachstum, Arbeit und eine noch bessere Lebensqualität.“

 Manfred Kainz, Regionalstellenobmann WKO Deutschlandsberg: „Die Chancen und das Entwicklungspotenzial durch die Koralmbahn sind enorm. Eine schnelle Bahnverbindung nach Kärnten wollte schon Kaiser Franz Josef. Kluge Köpfe und der Wille zur Zusammenarbeit in der Region haben dazu geführt, dass früh mit der Umsetzung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen begonnen werden konnte (Laßnitztal Entwicklungs GmbH, Grundstückankäufe, etc.). Sowohl Deutschlandsberg als auch Wolfsberg werden nach Fertigstellung der Bahnlinie einen gewaltigen Aufschwung und massiven Zuzug erleben. Davon bin ich überzeugt. Jetzt gilt es, eine gemeinsame, bundeslandübergreifende Perspektive über die Bezirksgrenzen hinaus zu entwickeln.“

 Gerhard Oswald, Bezirksobmann WK Wolfsberg: „Wolfsberg und Deutschlandsberg haben bereits begonnen, die Eckpunkte einer ersten gemeinsamen regionalpolitischen Agenda und Strategie auf Bezirksebene zu schmieden. Denn, je schneller und besser abgestimmt wir arbeiten, desto besser wird die Entwicklung in beiden Bezirken sein und desto unmittelbarer wird sich die positive Wirkung dieses Jahrhundertprojektes einstellen. Es gilt nun alle Synergiepotentiale zu heben. Dann profitieren auf beiden Seiten der Koralm alle Wirtschaftsbereiche, von der Industrie und dem Gewerbe über moderne Dienstleistungen bis hin zum Tourismus.“ 

 Gerold Grill, Geschäftsführer SVI Austria GmbH: „Mit dem Koralmtunnel eröffnen sich viele neue Möglichkeiten und für uns als Industrie ist ganz klar, dass beide Seiten – also Kärnten und die Steiermark – von dieser neuen Verbindung enorm profitieren werden. Voraussetzung ist eine gute Vorbereitung, die in die verschiedensten Bereiche und weit über die Infrastruktur hinausreicht. So schaffen wir nicht nur einen tragfähigen Transport-Korridor inkl. Anbindung an Wien über den Semmeringtunnel, sondern auch ein neues Regionsverständnis im Süden Österreichs.“ 

Horst Johann Jöbstl, MsC, IV Kärnten: Ich sehe große Chancen für die Entwicklung des Industriestandorts in der Region. Schon jetzt ist der Bezirk Wolfsberg mit einem Beschäftigungs-Anteil von 41,6 Prozent des produzierenden Sektors der industriestärkste in Kärnten. Er leidet aber deshalb auch überproportional unter der hohen Zahl an offenen Stellen, die nur schwer besetzt werden können. Mit der Koralmbahn rückt der Bezirk nun in die Mitte des Zentralraums zwischen Graz und Klagenfurt/Villach und werde viel besser erreichbar sein. So erschließen sich die Uni- und Forschungsstandorte in den Metropolen in bequemer umweltfreundlicher Pendeldistanz. Damit sind die zahlreichen High-Tech-Betriebe in unserer Region plötzlich eine Option. Um junge urbane Zuwanderer zu gewinnen, braucht es aber günstige Startwohnungen und auch abseits der leistungsfähigen Hauptroute einen gut funktionierenden öffentlichen Verkehr mit dem Lavanttaler Zentralbahnhof.“ 

Eric Kirschner, Joanneum Research Forschungsgesellschaft: „Die Koralmbahn ist das größte sozioökonomische Projekt in Österreich seit dem Bau der Semmeringbahn. Mit der vorliegenden Analyse lässt sich zeigen, dass die Auswirkungen, die sich aus der veränderten Erreichbarkeit ergeben, signifikant positiv sind, sowohl in Bezug auf die wirtschaftliche Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit, sprich Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, als auch in Bezug auf die demographische Entwicklung. Zu beachten gilt allerdings, dass dies nicht automatisch geschieht. Die Rahmenbedingungen müssen sehr wohl im Vorfeld entsprechend gestaltet und Synergien proaktiv genutzt werden, sowohl regional als auch interregional.“

 Ewald Verhounig, Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung: „Um die enormen regionalökonomischen Chancen, die die Koralmbahn mit sich bringt, nachhaltig zu nutzen, bedarf es einer abgestimmten, interregionalen strategischen Bewirtschaftung der gesamten Achse mit den Bezirken Deutschlandsberg und Wolfsberg im Fokus. Erste regionalpolitische Ansatzpunkte sind die Sicherstellung bzw. der Ausbau der komplementären Verkehrsinfrastruktur und der unternehmerischen Infrastruktur sowie die Implementierung interregionaler Kooperationen im Bereich Aus- und Weiterbildung. Darüber hinaus gilt es die internationale Positionierung Südösterreichs als attraktiver Arbeits- und Lebensstandort aktiv voranzutreiben.“