Menschen Werte Lebensqualität

Perspektiven der Gesellschaft

Wirtschaft und Gesellschaft sind eng miteinander verwoben. Einerseits trägt die Gesellschaft den Menschen, der das wichtigste Subjekt des wirtschaftlichen Geschehens ist. Andererseits befruchtet und stabilisiert eine erfolgreiche Ökonomie wie kein anderes Element das gesellschaftliche Ganze.

So gesehen ist eine erfolgreiche Regionalentwicklung gleichzeitig auch das Bemühen um verbesserte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die wiederum positiv auf die Wirtschaftsentwicklung einwirken.

Eine erfolgreiche moderne Standortstrategie muss daher auch zu einem erheblichen Teil Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen geben!

 

Mensch in seiner Entwicklung

   Familie
Die Familie als zentrale Keimzelle menschlicher Entwicklung und sozialer Bindungen hat zuletzt als Begriff eine Erweiterung erfahren (Gleichgeschlechtlichkeit, Patchwork etc.). In welcher Form auch immer ist sie aber jedenfalls die erste und am stärksten wirkende Institution für Entwicklung (Geborgenheit) und Lebenschancen (Motorik, Sprache und Werte) der Kinder.

Die Aufgabe der Öffentlichkeit ist daher nicht der Ersatz der Familie, sondern deren bestmögliche Unterstützung in ihrer Funktion. Die Evidenz der letzten Jahre zeigt, dass hier zu viel Wert auf finanzielle Unterstützung gelegt wurde, aber zu wenige Maßnahmen gesetzt wurden, um Eltern/Erziehungsverantwortliche in der Erfüllung ihrer Verantwortung gegenüber den Kindern zu unterstützen. Hier müssen dringend neue bedarfsgerechte Angebote erstellt werden.

   Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Das sich ändernde gesellschaftliche Rollenbild junger Frauen und Männer braucht Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Darin liegt der Schlüssel zur Lösung vieler familiärer Probleme. In diesem Zusammenhang muss erkannt werden, dass die Flexibilität in puncto Arbeitszeit und Arbeitsort heute nicht mehr als Kampfthema der Sozialpartnerschaft taugt, sondern in Österreich (laut OECD-Studie) bei der überwiegenden Mehrheit das individuelle Bedürfnis von Arbeitnehmern – und vor allem Arbeitnehmerinnen – darstellt.

 

Politische Maßnahmen

  • Anbieten (womöglich in Kooperation mit Unternehmen und gemeindeübergreifend) einer den Anforderungen der Arbeitswelt angepassten, flexiblen und qualitätsvollen Betreuungs-Infrastruktur für Kinder
  • In Regionen mit hohem Wirtschaftsanteil müssen zeitnah verschränkt geführte Ganztagsschulen eingeführt werden. Dabei wird nicht nur die Betreuungsqualität erfüllt, sondern auch die Bildungsqualität in den Vordergrund gestellt.

 Vorschläge für Unternehmen

  • Pflege eines verständnisvollen Zugangs für Problemlagen junger Familien unter Einschluss beider Geschlechter
  • Positiver Zugang bei Belegschaft und Unternehmen zu Flexibilität bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsform unter Einbindung neuer Technologien
  • Der Kontakt zum Unternehmen und die notwendigen Fortbildungen sollten auch während Kinderbetreuungszeiten aufrecht bleiben.

   

   Jugend
Jugend ist Zukunft – aber wer die Jugend gewinnen will, muss sie dort abholen, wo sie heute steht. Hier haben sich laut diverser Jugendstudien klar erkennbare Einstellungen entwickelt:

 „Arbeiten und Leben “ – ist die aktuelle Einstellung der Jugend zur Berufswelt. Sie signalisiert Leistungsbereitschaft ebenso wie das Anliegen, Berufstätigkeit und Freizeitqualität „unter einen Hut“ zu bringen.

„Sprunghaftigkeit“ – die festgestellte erhöhte Sprunghaftigkeit in Entscheidungen und Handlungen zeigt, dass auch Werte, Denken und Handeln an die enormen Geschwindigkeiten angepasst wurden, die seit Jahren eine Lebensrealität darstellen.

„Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit“ sind besonders intensive jugendliche Wertvorstellungen. Wirtschafts- und vor allem Technikaffinität müssen davon ableitbar sein.

„Beachtung als Jugendliche“ – Partizipation der Jugend in Unternehmen sowie Übertragung von Verantwortung sind innerbetriebliche Erfolgsfaktoren.

„Kommunikation“ – Beziehungen (u. a. zu einem Betrieb) werden nicht mehr durch Tradition, sondern durch intensive Kommunikation (auch über Jugend-affine Medien, wie soziale Netzwerke) definiert.

„Flexibilität“ ist heute fixer Bestandteil der Jugendkultur. Individualisierung von Arbeitszeit, flexible Einsatzmöglichkeit und Abwechslung sind Forderungen der Jugend selbst.

 

Politische Maßnahmen

  • Stärkere Gewichtung der Anliegen und der Orientierung der jungen Generation in der Politik
  • Begeisterung für eine aktive Zukunftsgestaltung junger Menschen wecken
  • Aufgreifen des Themas Fairness im Verhältnis der Generationen

 Vorschläge für Unternehmen

  • Berücksichtigung von Mitgestaltung und Begegnung als wesentliche jugendliche Anliegen
  • Initiierung von Umfragen, die spezifische Bedarfe von Jugendlichen in Unternehmen thematisieren
  • Jugend als Partner beim Thema Flexibilisierung erkennen

 

  Bildung und Ausbildung
Bildung ist nicht nur der Schlüssel zur Bewältigung der künftigen Herausforderungen, Bildung ist vor allem auch die Grundlage für die Wahrung persönlicher Lebenschancen. Kein Weg führt schneller in Armut und Abhängigkeit, als eine nicht erfolgreiche Bildungskarriere. Dabei geht es nicht nur um formelle Abschlüsse, sondern auch um das Herausarbeiten der ganz persönlichen Stärken und Fähigkeiten.

 

Politische Maßnahmen

  • Um endlich zählbare Erfolge zu erzielen, sind in der Steiermark zwischen 2015 und 2020 vorrangig vier regional umsetzbare Maßnahmen zu implementieren: 
  1. Konsequente Auswahl künftiger Lehrerinnen und Lehrer nach pädagogischer Eignung sowie eine weitere Verbesserung der laufenden Weiterbildung basierend auf einer Evaluierungs- und Feedback-Kultur. Gute Lehrer/-innen sind und bleiben das Rückgrat einer erfolgreichen Schulbildung.
  2. Rasche Umsetzung einer substantiellen Schulautonomie mit Personalhoheit, bei der die Schulleitungen nach ihrer Management-Eignung ausgesucht werden
  3. Die Bildungsstandards für einen erfolgreichen Abschluss sowohl der Grund-, als auch der Sekundarstufen müssen klar definiert und kontrolliert sein, um als taugliches Instrument zur Qualitätssicherung und -steigerung im Bildungssystem verwendet werden zu können. Es kann nicht hingenommen werden, dass Schüler/-innen ohne Handikap nach neun Jahren die grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen und Umgang mit der IT unzureichend beherrschen.
  4. Die vordringliche organisatorische Änderung im Schulsystem ist die flächendeckende Einführung einer verschränkten Ganztagsschule in der Steiermark, in der moderne pädagogische Konzepte Anwendung finden. Die Sicherung des Lernerfolges, die Persönlichkeitsbildung der Schüler/-innen sowie die Förderung individueller Talente sind die zentralen Ziele, aber keinesfalls die bloße „Aufbewahrungsfunktion“ der Schule.
  •  Forcierung frühkindlicher Bildung, insbesondere bei der Sprachförderung in einer neu zu definierenden Schnittmenge zwischen Kindergarten und Volksschule
  • Politische Unterstützung, damit die duale Ausbildung (Lehre) gleichrangig mit der Schulbildung als wichtige Bildungsinstitution von Jugendlichen gesehen wird
  • Das Land soll umgehend gemeinsam mit interessierten Unternehmen ein Modell entwickeln, das Maturant/-innen neben einer Universitäts- oder FH-Ausbildung eine neue, gehobene duale Berufsbildung auf Kolleg-Niveau ermöglicht (Anlehnung an deutsche Modelle).
  • In der Steiermark als industrie- und technikorientiertem Bundesland muss die HTL als berufsbildende technische Schulform nicht nur erhalten, sondern in den Regionen mit hoher Qualität verankert sein. Dabei wird insbesondere auf den Ausbau der IT-Ausbildung als zukunftsrelevanter Schwerpunkt Wert gelegt werden müssen.

 

  Berufsorientierung
Die Zusammenführung persönlicher Talente mit einer Zukunft versprechenden Berufswahl stellt immer mehr Jugendliche und Familien vor eine besondere Herausforderung. Dabei ist auffallend, wie gering oft das Wissen über eigene Neigungen und das breite Spektrum von Berufsbildern ist. Es zeigt sich aber auch eine (insbesondere bei Frauen) weit verbreitete Technik-Skepsis und Abneigung gegenüber Naturwissenschaften, weshalb viele Erfolg versprechende Karrieren verschlossen bleiben.

 Im Licht der problematischen demografischen Entwicklung in der Steiermark wird eine mangelnde oder fehlende Berufsorientierung immer mehr zum gesellschaftlichen Problem.

 

Politische Maßnahmen

  • Die Landesregierung muss in der nächsten Periode ein eigenständiges steirisches Programm zur Förderung der Technik und MINT-Orientierung in der Steiermark auflegen, bei dem auch alle bisherigen Aktivitäten gebündelt und eingebunden werden.
  • Finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand ist auf jene Projekte zu richten, die auf intensive und aktuelle Kenntnis der wirtschaftlichen Praxis und die Einbindung der Eltern verweisen können und dadurch eine Hebung der Qualität der Orientierung für Bildung und Beruf bewirken.
  • Es muss eine Selbstverständlichkeit werden, dass in der Sekundarstufe I (AHS-Unterstufe und NMS) professionelle externe Berufsorientierung nachweislich unter Einbindung des gesamten Spektrums (auch der dualen Berufsausbildung) erfolgt.

 Vorschläge für Unternehmen

  • Die beste Berufsorientierung ist das direkte Erleben der Praxis im Betrieb über Informationstage, spezifische Betriebsbesuche für SchülerInnen oder Praktika. Das bereits vorhandene Angebot (Pilotprojekt der IV-Steiermark „Explore Industry“, Girls Day, u. a.) sollte systematisch ausgebaut und professionalisiert werden.
  • Aufgrund der besonderen Herausforderung sollten Unternehmen das Thema trotz einzelbetrieblicher Konkurrenz im Netzwerk und unter Einbindung der Expertise ihrer Interessenvertretungen abdecken.

 

  Beschäftigung 55+
Das Thema Alter und Beschäftigung wird aus drei Gründen immer wichtiger:

Erstens kommen die „Babyboomer“ in das Pensionsalter und können durch geburtenschwache Jahrgänge kaum noch qualifiziert ersetzt werden (betriebliches Interesse). Zweitens verlangt die Finanzierung des Pensionssystems das Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters (gesellschaftliches Interesse) und drittens erfordert die stark gestiegene Lebenserwartung eine sinnvolle und altersgerechte Beschäftigung der Menschen für ein erfülltes Altern (individuelles Interesse).

 

Politische Maßnahmen

  • Das Land muss Lernen und Ausbildung gerade in dieser Altersgruppe durch besonderes Engagement unterstützen.
  • Lebenslanges Lernen kann heute nicht mehr in die Kataloge einschlägiger Bildungseinrichtungen abgeschoben werden. Die Steiermark benötigt einen strategischen Masterplan, der die professionelle und systematische Weiterentwicklung des Themas unter der Einbindung der Wirtschaft und aller Bildungsinstitutionen vorantreibt.
  • Einsatz der steirischen Landesregierung und der steirischen Sozialpartner auf der Bundesebene, um das gesetzliche Pensionsalter aktiv zu erreichen, statt erfolglose Malussysteme zu propagieren: Das kann durch stärkere Flexibilisierung, Senkung der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer/-innen, Abflachung der Lebenseinkommenskurve oder die Weiterentwicklung der Altersteilzeit erreicht werden.
  • Unterstützung von Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung mit dem Fokus der gesundheitlichen Selbstverantwortung von Arbeitnehmer/-innen.

 

Vorschläge für Unternehmen

  • Lebensphasenorientierte Arbeitsplatzgestaltung und strategische Personalbedarfsplanung nach dem Prinzip „productive aging“ (altersgerechte Berufsverlaufsmatrizen)
  • Stärkung der gesundheitlichen Selbstverantwortung der MitarbeiterInnen
  • Stärkung des gesundheitlichen Umfelds in den Bereichen ergonomische Verbesserungen, sportliche Ausgleichsbetätigung, physiotherapeutische Schulung für richtige Bewegung und Belastung, Akustikmaßnahmen, belastungsorientierte Schicht- und Rotationspläne, Stressmanagement

 

   Mensch im Unternehmen

Im Normalfall verbringen wir einen großen Teil unserer Lebenszeit im beruflichen Umfeld. Ein Arbeitsplatz muss daher mehr sein als ein Ort reiner Leistungserbringung mit fairer Entlohnung. Gerade in Zeiten großen allgemeinen Wohlstands und einer problematischen demografischen Entwicklung werden Loyalität und Leistung nicht mehr allein über das Entgelt abrufbar sein. In der Zukunft benötigen wir innovative Wege.

Innerbetriebliche Partnerschaft
Im Vordergrund müssen die Überwindung allfällig vorhandenen Misstrauens und – stattdessen – das Leben eines innerbetrieblichen Vertrauensgrundsatzes gelten. Dies ist umso notwendiger, da die Komplexität der Welt des 21. Jahrhunderts mit ihrer enormen Differenzierung schon lange in die Unternehmen Einzug gehalten hat: Wissens- und Kopfarbeiter richten ihre produktiven Arbeitszeiten nach ihrem persönlichen Biorhythmus, die globalisierte Wirtschaft setzt auf Mobilität und geschrumpfte Zeitzonen, neue Lebens- und Familienbilder verlangen neue Formen von Flexibilität. All das wird nicht durch erstarrte sozialpartnerschaftliche Riten gelöst werden, die den einzelnen Menschen als unterlegen und unmündig betrachten, sondern durch faire und partnerschaftliche Lösungen im Betrieb selbst.

 

Vorschläge für die Sozialpartnerschaft (Politik)

  • Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips in der Sozialpartnerschaft – also die Verlagerung jener Entscheidungen auf die betriebliche Ebene, die dort besser gelöst werden können, wie etwa
    - flexible Arbeitszeitmodelle
    - Entwicklung des betrieblichen Ist-Entgelts




 Vorschläge für Unternehmen

  • Die betriebliche Partnerschaft auf Unternehmensebene ist auszubauen. Basis ist die gegenseitige Verantwortung für faire Arbeitsbedingungen und ein stabiles und zukunftsfähiges Unternehmen.

 

   Frau und Beruf
Untersuchungen zeigen, dass die Beschäftigungsquote von Frauen in Österreich im internationalen Vergleich noch immer niedrig ist. Mit Bezug auf die demografische Entwicklung und auf gesellschaftliche Realitäten ist davon auszugehen, dass sich die Rate erhöhen wird. Gleichzeitig wird die Forderung nach Frauen in Führungspositionen immer lauter gestellt. Bisher nicht zufriedenstellende Entwicklungen werden jedenfalls qualitativ nicht mit Quotenmodellen behebbar sein.

 

Politische Maßnahmen

  • Spezielle Berufsorientierung für Frauen zur Vermeidung der österreichspezifischen eindimensionalen Berufswahl
  • Lösung der Kinderbetreuungssituation (siehe Vorschläge Lebensphasen): Hier muss die öffentliche Hand ihrer Verpflichtung gegenüber einer funktionierenden Infrastruktur nachkommen.

 Vorschläge für Unternehmen

  • Herausarbeitung transparenter Karrieremodelle für Frauen, die auch Maßnahmen für Karenzzeiten vorsehen
  • Flexibilität und Teilzeitmodelle, die im beiderseitigen Interesse liegen

 

Mensch in der Gesellschaft

   Zukunft einer mündigen Demokratie
Das Funktionieren einer Demokratie hängt wesentlich von der Partizipation und der Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen und politischen Leben des Staates sowie deren Einstellung zur Verantwortung ab. Dazu ist es notwendig, dass die Menschen nicht nur Erwartungen an die Leistung eines anonymen Staatsapparates haben, sondern auch die Bereitschaft zu einem aktiven Engagement zeigen. Der Wert einer grundsätzlichen individuellen Mit-Verantwortung im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zeichnet eine solidarische und funktionierende Gesellschaft aus (Eigenverantwortung statt Bevormundung).

 

Politische Maßnahmen

  • Ausgehend von der Gemeindeebene sollten vermehrt Bürgerentscheide eingerichtet werden.
    Eine Kultur der Verantwortung für das Ganze kann durch bewusste Verknüpfung von Entscheid und direkter finanzieller Auswirkung (z. B. zusätzliche kommunale Leistung versus Gebührenerhöhung) verbessert werden.

  • Auf gesellschaftlicher Ebene sollte es insbesondere Jugendlichen ermöglicht werden, temporär in gemeinnützigen Bereichen gegen Taschengeld tätig zu werden, um Bedeutung und Sinn für den Wert von Beiträgen außerhalb eines rein ökonomischen Zusammenhangs zu erfahren. Über den Grad der Verpflichtung (Zivildienst für alle, BürgerInnendienst) sollte zumindest eine vertiefte Diskussion geführt werden.
  • In steirischen Schulen sollte in den nächsten Jahren wieder ein besonderer Schwerpunkt auf die Grundlagen des demokratischen und konstitutionellen Gemeinwesens gelegt werden, dies insbesondere in Hinblick auf die problematischen globalen Herausforderungen.

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